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Atomenergie in außereuropäischen Ländern > China

Reaktoren in Betrieb: 56 • im Bau: 29 • stillgelegt: - [1]


Massiver Neubau von Atomkraftwerken

Beijing (November 2016) - 426

Verbotene Stadt in Peking (China)

Schon 1970 hatte Chinas Premierminister Chou Enlai auf die Notwendigkeit eines Einstiegs Chinas in die Atomkraft hingewiesen. Nachdem sich die Volksrepublik 1978 für die Kernenergie als strategische Option und für den Import nuklearer Technologie entschieden hatte, dauerte es noch 13 Jahre, bis 1991 mit Qinshan-1 der erste Reaktor ans Netz ging. In den 1990er Jahren beschloss die chinesische Regierung eine "moderate", später eine "kräftige" und "effiziente" Entwicklung der Atomkraft.[2][3]

Am 14. März 2011, wenige Tage nach der Fukushima-Katastrophe, beschloss der Volkskongress einen neuen 5-Jahres-Plan für einen massiven Ausbau der Atomenergie: 40 GW neue Kapazitäten sollten errichtet werden.[4] 2011 waren die Risiken der Atomkraft in der Bevölkerung kaum bekannt, und die Regierung vermied eine öffentliche Debatte über Fukushima.[5]

2012 kam es aufgrund von Sicherheitsüberprüfungen aller AKW zu einem vorübergehenden Moratorium der Neubaupläne. Nach dessen Ende kündigte China an, dass es weltweit größter Atomstromexporteur werden wollte.[6][7]

Heute sind in der Volksrepublik China laut IAEO 56 Reaktoren in Betrieb, darunter auch ein Schneller Brüter. 29 neue Einheiten werden gebaut.[1] Eine zentrale Rolle spielt hierbei die China National Nuclear Corporation (CNNC).

Nach der Planung von 2013 sollen Chinas Atomkraftwerke bis 2020 eine Gesamtkapazität von 58 Gigawatt erreichen, etwa so viel wie in Frankreich heute. Der Atommüll soll in der Wüste Gobi entsorgt werden.[8] Die Zahl der Atomkraftwerke soll auf 71 im Jahr 2020 steigen.[9]

Im Dezember 2015 wurde bekannt, dass laut Chinas neuem 5-Jahresplan bis 2030 110 Atomkraftwerke in Betrieb sein sollen. Der Anteil der Atomkraft an der Energieerzeugung soll auf 10 % steigen.[10]

Standorte mit aktiven Reaktoren:
CEFR
Changjiang
Daya Bay
Fangchenggang
Fangjiashan
Fuqing
Haiyang
Hongyanhe
Ling Ao
Linglong
Ningde
Qinshan
Sanmen
Shidaowan
Taishan
Tianwan
Yangjiang

Im Bau:
Lianjiang
Linglong
Lufeng
San´ao
Taipingling
Xiapu
Xudabao
Zhangzhou

Geplant:
ACPR50S & ACP100S (offshore)
Bailong
Haixing
Pengze
Taohuajiang
Xianning

Aufgegeben:
Sunan

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Eine Übersicht über alle in China betriebenen, geplanten und stillgelegten Forschungsreaktoren findet man unter → IAEO: Research Reactors/Countries: China

Seit 1984 ist China Mitglied der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO).[11]

Seit 2006 betreibt das Land eine Anlage zur Erforschung der Kernfusion. → Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST)

Minderwertige Serienfertigung, veralteter Reaktortyp

Über Störfälle bei chinesischen Atomkraftwerken ist bislang wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass derartige Ereignisse bewusst verschwiegen werden, wie z. B. Schäden, die 1998 am Reaktorkern von Qinshan-1 auftraten.

Wegen der schnellen Serienfertigung mehrten sich die Zweifel bei Experten, auch in der Atomindustrie, an der Sicherheit der Anlagen. "Chinesische Baufirmen knapsen immer wieder bei der Qualität, um den Profit hochzutreiben - und das ist zahlreichen Neubauten im Lande anzumerken, die oft wenige Monate nach der Fertigstellung schon bröckeln." Das Unfallrisiko erhöht sich, der Theorie-Physiker He Zuoxiu rechnete mit einen schweren Atomunfall bis 2030.[12]

Außerdem setzte China bei vielen Neubauten auf den Reaktortyp CPR-1000, eine modifizierte Version der veralteten Framatome-Baureihe CPO/CP1/CP2, die in den 1970er und 1980er Jahren entwickelt wurde. Der Reaktortyp wurde schon 2010 von der US-Regierung als technisch überholt angesehen. Der Vorsitzende der französischen Atomaufsicht, Bernard Bigot, bezeichnete dessen Sicherheit als mangelhaft, weil dieser keine zweite Schutzhülle um das Reaktorgebäude besitzt.[13]

Weitere Entwicklungen

China führt ein Programm zur Entwicklung gasgekühlter Hochtemperaturreaktoren durch. Ein experimenteller Protoyp, der HTR-10 mit 10 MW Leistung an der Universität Tsinghua, ging 1995 in Bau und im Dezember 2000 in Betrieb.[14] Das Nachfolgeprojekt, der Demonstrationsreaktor HTR-PM der sogenannten IV. Generation, befindet sich seit 2012 in Shidaowan im Bau.

Seit 2009/2010 lässt China am Standort Taishan in der südlichen Provinz Guangdong zwei Europäische Druckwassserreaktoren (EPR) mit je 1.750 MW Leistung von AREVA konstruieren.

Seit 2011 wird in einem Forschungsinstitut in Shanghai an einem Konzept für einen Flüssigsalz-Thorium-Reaktor gearbeitet, einen sogenannten Lifer (Liquid Fluoride Thorium Reactor).[15]

Im Mai 2013 wurde berichtet, dass es ein Netzwerk gibt, welches chinesischen Atommüll in ganz Afrika verteilt. Entsprechender Abfall sei in Algerien entdeckt worden.[16]

Im Juli 2013 stoppte China nach Bürgerprotesten den Bau einer großen Uran-Wiederaufarbeitungsanlage am Mündungsdelta des Perlflusses.[17]

Am 15. April 2015 genehmigte die chinesische Regierung den Bau eines neuen Atomreaktors chinesischer Produktion. Der Typ "Hualong One" ist ein Druckwasserreaktor, der 2014 eine Überprüfung durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) bestand.[18][19] China verfolgt damit das Ziel, Preise für Reaktoren zu verringern; der Hualong One soll sowohl in China als auch im Ausland, wie z. B. Pakistan (Kanupp), Argentinien und Osteuropa gebaut werden.[20] Als erste Einheit dieses Typs wurde 2020 Fuqing-5 in Betrieb genommen.

Einen Überblick über die ambitionierten Pläne für neue Reaktoren und Designs gibt die Studie → China’s Nuclear Industry in 2015

Im August 2017 gründeten die China National Nuclear Power Co. und vier weitere chinesische Unternehmen ein Joint Venture zur Produktion kleiner schwimmender Atomkraftwerke.[21] Solche schwimmenden Einheiten waren bereits in den USA geplant und eines in Russland errichtet worden. → Atlantic (USA) und Akademik Lomonosov (Russland)

Ausbau der erneuerbaren Energien

Um sich vom Weltmarkt unabhängiger zu machen, schafft China zugleich einen Heimatmarkt für Ökokraftwerke. Wegen mangelnder Qualität für den Exportmarkt wird die Hälfte der produzierten Windkraftanlagen im eigenen Land installiert, und wegen Überkapazitäten werden viele Photovoltaikanlagen im eigenen Land verkauft.[22]

Bereits 2012 produzierte China mehr Strom aus erneuerbaren Energien als aus der Atomkraft.[23]

Militärische Nutzung der Atomkraft

China führte 1964 den ersten erfolgreichen Atomwaffentest durch.[24] Schätzungen zufolge verfügt das Land über einen Bestand von 500 nuklearen Sprengköpfen (Stand: März 2024).[25]

Das dazu nötige Plutonium wurde an den Standorten → Jiuquan und → Guangyuan produziert. Tritium für Wasserstoffbomben wird im Komplex Baotou in der Inneren Mongolei hergestellt.

Nicht fertiggestellt wurde ein weiterer Komplex in der Nähe von Chongjing, der als größtes künstliches Höhlensystem der Welt angesehen wird. → Baitao, Nuklearfabrik 816

(Letzte Änderung: 19.10.2024)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEA: PRIS - CountryStatistics/China abgerufen am 19. Oktober 2024
  2. IAEO: Country Nuclear Power Profiles/China abgerufen am 14. Februar 2015 (via WayBack)
  3. IAEO: FINANCING ARRANGEMENTS FOR
    NUCLEAR POWER PROJECTS IN DEVELOPING COUNTRIES
    (S.86) vom März 1993
  4. Spiegel Online: China will Dutzende neue AKW bauen vom 14. März 2011
  5. heise.de: Energiewende auf Chinesisch vom 5. August 2011
  6. World Nuclear Status Report 2012: ChinaFocus, S. 59 vom Juli 2012
  7. FTD.de: Kernenergie in China - Die rote Atommacht vom 12. März 2012 (via WayBack)
  8. Deutschlandfunk: Ausbau trotz Fukushima - China setzt weiterhin auf Atomenergie vom 29. Juli 2013
  9. Handelsblatt: Massiver Ausbau der Atomkraft besorgt Experten vom 18. Oktober 2013
  10. ORF: China will bis 2030 110 Atomkraftwerke bauen vom 4. Dezember 2015
  11. IAEO: Member States abgerufen am 22.November 2020
  12. Handelsblatt: Massiver Ausbau der Atomkraft besorgt Experten vom 18. Oktober 2013
  13. worldnuclearreport.org: First Reactor Grid Connection in Fuqing, China vom 22. August 2014
  14. Tsinghua University: HTR-10 abgerufen am 6-September 2019 (via WayBack)
  15. deutsche-wirtschafts-nachrichten.de: Indien und China setzen auf Thorium-Reaktoren vom 28. Oktober 2013
  16. n-tv.de: Netzwerk verteilt angeblich Abfälle in ganz Afrika - Chinesischer Atommüll in Algerien aufgetaucht vom 16. Mai 2013
  17. Spiegel Online: Baustopp für Uran-Anlage: Chinas Regime knickt vor Bürgerprotesten ein vom 13. Juli 2013
  18. german.china.org.cn: China genehmigt Kernenergie-Pilotprojekt vom 17. April 2015
  19. nuklearforum.ch: Chinas Exportpläne für Hualong One vom 20. März 2015
  20. WNA: Nuclear Power in China abgerufen am 22. November 2020
  21. german.china.org.cn: China entwickelt schwimmende Atomkraftwerke vom 13. August 2017
  22. FR Online: Energiewende wider Willen vom 1. Oktober 2012 (via WayBack)
  23. worldnuclearreport.org: The World Nuclear Industry Status Report 2013 (S.9) vom 11. Juli 2013
  24. NTI: China abgerufen am 22. April 2024
  25. FAS: Status of World Nuclear Forces abgerufen am 2. April 2024