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Organisationen und Kommissionen > UNSCEAR

Geschichte

Flag of the United Nations

Flagge der Vereinten Nationen (UN)

UNSCEAR (United Nations Scientific Committee on the Effects of Atomic Radiation) wurde im Jahr 1955 gegründet und ist der wissenschaftliche Ausschuss der Vereinten Nationen (UN), der sich mit den Auswirkungen atomarer Strahlung befasst. Er war als Reaktion der UN "auf weit verbreitete Bedenken über die Auswirkungen von Strahlenexpositionen auf die menschliche Gesundheit und auf die Umwelt" gedacht.[1]

UNSCEAR ist in der Folge immer wieder kritisiert worden, die gesundheitlichen Folgen der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima zu verharmlosen.

Diese Kritik ist darauf zurückzuführen, dass UNSCEAR u.a. auf Daten der WHO zurückgreift.[2] Die WHO wiederum ist an ein Abkommen vom 28. Mai 1959 mit der IAEO, der wichtigsten internationalen Organisation der Atomlobby, gebunden. "Dieser Vereinbarung zufolge unterliegen Arbeiten oder Programme der WHO, die als Überschneidung mit dem Tätigkeitsbereich der IAEA betrachtet werden, der Kontrolle und dem Ermessen der IAEO".[3] → IAEO: Agreement Between the International Atomic Energy Agency and the World Health Organization

UNSCEAR zum Tschernobyl-Gau

Um die Auswirkungen der Tschernobyl-Katastrophe auf Umwelt und Gesundheit zu klären, war im Februar 2003 das sogenannte Tschernobyl-Forum gegründet worden. Es bestand aus Vertretern von: IAEO, FAO, UN-OCHA, UNDP, UNEP, UNSCEAR, WHO, World Bank sowie Weißrussland, Russland und der Ukraine.[4] Das Tschernobyl-Forum spach 2006 von lediglich 50 Todesfällen, die unmittelbar auf den GAU zurückgeführt werden könnten.[5] Die "Zeit" schloss sich kritiklos dem UN-Bericht an und behauptete: "Eine dermaßen gründliche Untersuchung eines Unfalls hat es noch nie gegeben. Ihr Ergebnis widerlegt Mythen."[6]

US-amerikanische und britische Experten gehen im Gegensatz dazu von 900.000 bis 1,8 Mio. Toten infolge des GAU aus, wobei auch zukünftige Todesopfer mit einbezogen werden. Der promovierte Biologe und Mentor der russischen Anti-Atombewegung, Alexej Jablokow, weist zudem darauf hin, dass nicht nur 600.000, wie offiziell behauptet, sondern seinen Berechnungen zufolge 830.000 Liquidatoren (Aufräumarbeiter) eingesetzt wurden. Bis 2006 sind 112.000 bis 125.000 Liquidatoren gestorben, davon 14.000 bis 15.000 direkt an den Folgen der Katastrophe. Der weißrussische Strahlenphysiker Dr. Mikhail Malkow rechnet allein in Europa mit 90.000 Krebserkrankungen. Viel höher dürfte die Anzahl von Todesopfern wegen chronischer Herz-Kreislauferkrankungen sein, die durch Niedrigstrahlung hervorgerufen werden.[7][8]

Die atomkritische Ärzteorganisation IPPNW wirft UNSCEAR vor, bagatellisierende Berichte über die Folgen der Tschernobyl-Katastrophe zu verbreiten. So behauptet UNSCEAR, dass der GAU außer bei Kindern keine größeren Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen gehabt habe. Im Gegensatz dazu ist jedoch ein deutlicher Anstieg von Schilddrüsenkrebs bei Jugendlichen und Erwachsenen festzustellen. Den Grund für die Verharmlosung sieht IPPNW in der Aufgabe und personellen Zusammensetzung: "Die Mitglieder von UNSCEAR werden nicht z. B. durch einen internationalen Fachkongress gewählt. Vielmehr setzt sich UNSCEAR aus Wissenschaftlern zusammen, welche die Regierungen von 21 Staaten bestimmen, die Atomwaffen besitzen bzw. an der Nutzung der Atomenergie starkes Interesse haben."[9]

Alexej Jablokow, Gründer und Präsident des Zentrums für Russische Umweltpolitik, bezeichnete 2011 die Informationspolitik von IAEO und UNSCEAR als "verharmlosend" und "vertuschend".[10]

Erst im Mai 2011 distanzierte sich WHO-Chefin Chan von den eigenen Zahlen. Sie persönlich glaube nicht, der Unfall in Tschernobyl habe nur 50 Todesopfer gefordert. Und sie räumte ein: "Es gibt keine ungefährlichen Niedrigwerte radioaktiver Strahlung".[11][12]

UNSCEAR zum Fukushima-Gau

Im Mai 2013 erklärte UNSCEAR, dass die Fukushima-Katastrophe keine Erhöhung der Krebserkrankungen zur Folge haben würde. In Artikeln von "Süddeutsche.de" und "Spiegel Online" wurde dies unkommentiert und kritiklos übernommen und als Beweis für die Korrektheit die große Anzahl der mitwirkenden Wissenschaftler hervorgehoben.[13][14]

Laut IPPNW-Bericht vom März 2013 sind dagegen bereits jetzt in Fukushima die Folgen der Katastrophe sichtbar: Geburtenrückgang und erhöhte Säuglingssterblichkeit wie nach Tschernobyl sowie Schilddrüsenzysten bzw. -knoten bei 55.592 Kindern in der Präfektur Fukushima. In Japan "ist aufgrund der erhöhten externen Strahlenbelastung mit 37.899 bis 82.606 Krebserkrankungen und aufgrund der kontaminierten Nahrung mit 37.266 Krebserkrankungen zu rechnen".[15]

Im Juni 2013 wurde im Zusammenhang mit dem Ausströmen radioaktiven Wassers aus Fukushima (Strontium-90) in "n-tv.de" darauf hingewiesen, dass sich der UNSCEAR-Bericht von einem wesentlich kritischeren Report der UN unterscheidet. Der UN-Report attestiert den Menschen, die in der Umgebung von AKW leben, ein erhöhtes Krebsrisiko.[16]

In dem am 25. Oktober 2013 von UNSCEAR veröffentlichten neuen Bericht zu den Folgen der Fukushima-Katastrophe wird wiederum behauptet, dass "kein erkennbarer Anstieg der Krebserkrankungen zu erwarten sei". Die Ärzteorganisation IPPNW bezeichnet diesen Bericht als verharmlosend und nicht unabhängig, da er nur auf Angaben der IAEO, TEPCO sowie der japanischen Atombehörden zurückgreife, nicht aber auf diejenigen neutraler Institute und Forschungseinrichtungen und Berechnungen der WHO. Außerdem schließe der Bericht aus Daten von zwei Jahren auf die Auswirkungen kommender Jahrzehnte, was unseriös sei.[17]

Im April 2014 versuchte UNSCEAR nochmals, die Folgen von Fukushima zu verharmlosen. Sie erwarte "keinen signifikanten Anstieg der Krebsrate". Umweltorganisationen wie Greenpeace kritisierten den neuen Bericht scharf.[18]

Weiteres

Lange hatte UNSCEAR bei den Strahlenrisiken nicht zwischen Kindern und Erwachsenen unterschieden. Aus einer am 24. Oktober 2013 veröffentlichten UNSCEAR-Studie mit dem Titel "Effects of radiation exposure of children" geht nun hervor, "dass Kinder und Jugendliche nach der Exposition einer bestimmten Strahlendosis ein grösseres Risiko zur Entwicklung zahlreicher Krebsarten haben. Dieses Risiko manifestiere sich nicht immer augenblicklich, aber nehme im Verlauf des Lebens zu."[19]

Videobeiträge

  • Kritik am UNSCEAR-Report zu den gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima
    "Wir kritisieren an dem Bericht vor allem drei Sachen: Als erstes basiert er auf geschönten Annahmen. Es werden nur Studien und Daten genutzt von Organisationen, die im Sinne der Atomwirtschaft berichten. Das bedeutet unabhängige Quellen, unabhängige Forschungsinstitute werden ignoriert. (...) Unser zweiter Kritikpunkt ist, dass der Bericht auf fragwürdigen Annahmen basiert. So wird z. B. behauptet, dass die Strahlenempfindlichkeit eines Erwachsenen oder eines Kindes dieselbe ist, wie die eines ungeborenen Kindes, eines Embryos. (...) Und der dritte Kritikpunkt ist, dass die Autoren des UNSCEAR-Berichts einen deutlichen Interessenskonflikt haben." Quelle: Video
Kritik_am_UNSCEAR-Report_zu_den_gesundheitlichen_Folgen_der_Atomkatastrophe_von_Fukushima

Kritik am UNSCEAR-Report zu den gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe von Fukushima

IPPNW, hochgeladen am 2. April 2014 auf YouTube

  • Folgen der Reaktorkatastrophe Fukushima/Japan
    Der am 25.10.2013 "vorgelegte Bericht des Komitees der Vereinten Nationen für die Folgen von Strahlung (UNSCEAR) verharmlost systematisch das wahre Ausmaß der gesundheitlichen Folgen der Fukushima-Katastrophe. Es handelt sich um eine gezielte Missinformation der Öffentlichkeit. Das kritisieren IPPNW-Ärzte aus Deutschland, den USA, Schweiz, Frankreich, Italien, Nigeria, Malaysia, Ägypten und den Niederlanden in ihrer Analyse des Berichts."[17]
UNSCEAR-Bericht_zu_Fukushimafolgen_Gesundheitliche_Auswirkungen_werden_systematisch_unterschätzt

UNSCEAR-Bericht zu Fukushimafolgen Gesundheitliche Auswirkungen werden systematisch unterschätzt

ARD, tagesschau vom 25.Oktober 2013

  • Ärzte: UN verharmlosen Fukushima-Unfall
    Kritik an Filz zwischen UN und der Atomindustrie

    "Den Grund für die Verharmlosung des Unfalls sehen die Kritiker in der Verflechtung zwischen UNSCEAR und Atomindustrie. (...) Auch gebe es einen "Knebelvertrag" zwischen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO): Die WHO habe keine eigene Abteilung, die die gesundheitlichen Folgen von Radioaktivität erforscht. Sie sei auf die Daten der Atomenergiebehörde angewiesen."[20] "Ein Großteil der Daten, auf dem der Bericht basiert, kam von der WHO." Quelle: Video
3sat_nano_Warum_die_Katastrophe_von_Fukushima_verharmlost_wird

3sat nano Warum die Katastrophe von Fukushima verharmlost wird

3sat nano vom 1. Oktober 2013

Links

→ UNSCEAR: Homepage
→ UNSCEAR: Chernobyl accident
→ UNSCEAR: SOURCES AND EFFECTS OF IONIZING RADIATION (VOLUME II, Scientific Annexes C, D and E) von 2011
→ Spiegel Online International: Greenpeace vs. the United Nations: The Chernobyl Body Count Controversy vom 18. April 2006
→ Deutscher Bundestag: Fukushima: Bericht des VN - Ausschuss es zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer Strahlung (UNSCEAR) von 2014

(Letzte Änderung: 15.05.2023)

Einzelnachweise

  1. Bundesamt für Strahlenschutz: UNSCEAR-Berichte vom 21. Juni 2012 (via WayBack)
  2. bundestag.de: Fukushima: Bericht des VN - Ausschuss es zur Untersuchung der Auswirkungen atomarer Strahlung (UNSCEAR) von 2014
  3. Europäisches Parlament: Parlamentarische Anfrage: Änderung des Abkommens WHA 12-40 zwischen der WHO und der IAEA vom 6. Dezember 2002
  4. IAEO: Chernobyl Forum abgerufen am 15. Februar 2015 (via WayBack)
  5. iaea.org: Chernobyl’s Legacy: Health, Environmental and Socio-Economic Impacts and Recommendations to the Governments of Belarus, the Russian Federation and Ukraine vom April 2006 (28+2+1+19 Opfer, S.14, via WayBack)
  6. Zeit Online: Tschernobyl war kein Hiroshima - Eine internationale Studie widerlegt die schlimmsten Angstszenarien vom 8. September 2005
  7. IPPNW: Ein zweites Tschernobyl rückt näher von 2011
  8. n-tv.de: Die Welt rätselt über Fukushima - IAEA und WHO halten Berichte zurück von 2011
  9. IPPNW: Knebelvertrag mit der WHO - Die Informationspolitik der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) abgerufen am 9. Mai 2013 (via WayBack)
  10. taz.de: Kongress 25 Jahre Tschernobyl - Verdrängt, vertuscht, verharmlost vom 7. April 2011
  11. taz.de: WHO-Chefin gibt es erstmals zu - Radioaktive Strahlung immer gefährlich vom 5. Mai 2011
  12. Deutsche Welle: Atomkraft - WHO-Schlingerkurs bei radioaktiver Strahlung vom 6. Mai 2011
  13. Süddeutsche.de: UN sehen kein erhöhtes Krebsrisiko nach Reaktorunglück vom 31. Mai 2013
  14. Spiegel Online: Atomunfall: Uno sieht keine Krebsgefahr durch Fukushima vom 31. Mai 2013
  15. IPPNW: Gesundheitliche Folgen von Fukushima vom 6. März 2013
  16. n-tv.de: Auch zwei Jahre nach Fukushima-Gau - Radioaktives Wasser sickert aus Akw vom 19. Juni 2013
  17. 17,0 17,1 IPPNW: IPPNW-Pressemitteilung - Ärzte: Gesundheitliche Auswirkungen werden systematisch unterschätzt vom 25. Oktober 2013 (via WayBack)
  18. t-online.de: UN-Bericht zu Fukushima erntet scharfe Kritik vom 4. April 2014
  19. nuklearforum.ch: Unscear: Neue Studie zu Strahlenrisiken bei Kinder und Erwachsenen vom 5. November 2013
  20. 3sat.de: Ärzte: UN verharmlosen Fukushima-Unfall - Kritik an Filz zwischen UN und der Atomindustrie vom 1. Oktober 2013 (via WayBack)
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