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Druckwasserreaktor • Leistung: 925 MW • Typ: B&W RLP (DRYAMB) • Hersteller: Babcock & Wilcox •
Baubeginn: 1. September 1970 • Inbetriebnahme 12. August 1977 •[1] [2] Abschaltung: offen


Druckwasserreaktor in Ohio

Davis-Besse Nuclear Power Station cooling tower (4183)

Kühlturm des AKW Davis-Besse (Ohio)

Der Standort Davis-Besse befindet sich im Bundesstaat Ohio, 35 km östlich von Toledo.[3]

Von ursprünglich drei geplanten Einheiten mit je 906 MW Nettoleistung, die die Toledo Edison Company 1968 und 1973 bei Babcock & Wilcox bestellt hatte, wurde nur Davis-Besse-1 realisiert, die beiden anderen Einheiten wurden 1980 verworfen.[2][4]

Davis-Besse-1, ein Druckwasserreaktor mit 925 MW Leistung, wird seit 12. August 1977 betrieben; Eigentümer der Anlage ist die Cleveland Electric Illumination Co., Betreiber die First Energy Nuclear Operation Co.[1] Hersteller waren Babcock & Wilcox.[2]

2013 wurde Davis-Besse-1 als eines von sechs AKW in den USA genannt, deren Schließung wegen der Konkurrenz von Erdgas und des in der Folge geschilderten Störfalls von 2002 möglich ist.[5] Am 8. Dezember 2015 genehmigte die NRC jedoch 20 weitere Betriebsjahre, so dass das AKW nun bis 2037 am Netz bleiben kann.[6]

Im März 2018 meldete der Betreiber Insolvenz an und kündigte eine vorzeitige Schließung der Anlagen Davis-Besse und Perry an; am 30. Juli 2019 wurden die Stilllegungspläne jedoch wieder zurückgezogen.[7]

Korrosion am Reaktordruckbehälter (Ernster Störfall)

In Davis-Besse-1 ereignete sich 2002 ein ernster Störfall der Stufe 3,[8] der beispielhaft das Zusammenspiel von Materialschwächen, schlechter Sicherheitskultur und nachlässig durchgeführter Kontrollen veranschaulicht. Ein schwerer Atomunfall blieb nur aufgrund eines Zufalls aus.

Bei Reparaturarbeiten am 6. März 2002[9] wurde zufällig am Reaktordruckbehälter ein Korrosionsloch mit einem Durchmesser von 10 cm entdeckt.[10] Borsäure hatte sich durch den 15 cm dicken Stahldeckel des Reaktorkessels durchgefressen. "Einem schweren Unfall, bei dem große Mengen radioaktiven Kühlwassers ausgetreten wären, entging der Reaktor in Ohio nur knapp: Eine Edelstahlauskleidung von kaum einem Zentimeter Dicke hielt dem Betriebsdruck von mehr als 150 bar stand. Die rostfreie Innenbeschichtung war in dem beschädigten Bereich bereits ausgebeult und wäre nach Überzeugung der NRC-Experten bald gerissen."[11] Hätte die Notkühlung nicht funktioniert, hätte sich eine Katastrophe mit einem Austritt radioaktiver Substanzen in die Umwelt ereignen können.[10]

Als Ersatz für das korrodierte Bauteil wurde der Druckbehälterdeckel des verworfenen Reaktors Midland-1 eingesetzt.[12]

Besorgnis bei Lobbyorganisationen

Dass das Loch erst so spät entdeckt wurde, ist u. a. mit einer schlechten Sicherheitskultur zu erklären.[13] Die deutsche Reaktor-Sicherheitskommission (RSK) fand den Störfall bedenklich genug, um eine Prüfung einzuleiten, 2004 einen detaillierten Bericht vorzulegen und Schlussfolgerungen für deutsche Atomkraftwerke zu ziehen. Sie wies darauf hin, dass es in den letzten vier Jahren vor der Entdeckung des Korrosionslochs Indikatoren für Borsäureablagerungen gegeben habe, die Ablagerungen aber nicht konsequent entfernt worden waren. Außerdem hätte es Materialmängel gegeben.[9]

Auch die World Association of Nuclear Operators (WANO), die internationale Interessensvertreterin der AKW-Betreiber, bezeichnete den Störfall hinsichtlich der Anlagensicherheit und -zuverlässigkeit als einen der "Wendepunkte für die kollektive Erinnerung der Industrie". Ursache des Störfalls sei eine "Reduzierung des Standards" gewesen, um beispielsweise Produktionsziele schneller erreichen zu können.[14]

Im April 2005 belegte die Nuclear Regulatory Commission (NRC) den Betreiber deshalb mit einem Bußgeld in Höhe von 5,450 Mio. US-Dollar.[15]

Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2014 verursachte der Unfall außerdem 167 Mio. US-Dollar Kosten.[16]

Weitere Schäden

2011 wurden Risse im Reaktorgebäude entdeckt, die sich 2013 vergrößert hatten. Sie wurden auf einen starken Blizzard aus dem Jahre 1978 zurückgeführt.[17]

Im Juni 2011 wurde in den US-amerikanischen Medien berichtet, dass an 48 von 65 AKW-Standorten in den USA Tritiumlecks entdeckt wurden.[18] Nach einer Liste vom Juli 2014 war auch Davis-Besse betroffen.[19] Im Oktober 2008 wurden z. B. Tritiumkonzentrationen von über 37.000 Picocurie je Liter in ausgegrabenem Unrat entdeckt.[20]

Im Oktober 2013 plante der Betreiber First Energy, aus Sicherheitsgründen neue Dampfgeneratoren installieren zu lassen.[21]

→ FirstEnergy: Davis-Besse (Informationen des Betreibers, via WayBack)

(Letzte Änderung: 08.12.2022)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 IAEO: PRIS - Country Statistics/United States of America abgerufen am 8. Dezember 2022
  2. 2,0 2,1 2,2 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
  3. FirstEnergy: Davis-Besse vom 15. Dezember 2015 (via WayBack)
  4. IAEO PRIS: DAVIS BESSE-1 und DAVIS BESSE-2 abgerufen am 4. Juni 2011 (via WayBack)
  5. Forbes: 6 Nuclear Plants That Could Be Next To Shut Down vom 7. November 2013
  6. nuklearforum.ch: USA: weitere 20 Betriebsjahre für Davis-Besse-1 vom 10. Dezember 2015
  7. nuklearforum.ch: Davis Besse und Perry sollen doch am Netz bleiben vom 30. Juli 2019
  8. WNA: Safety of Nuclear Power Reactors abgerufen am 8. Dezember 2022
  9. 9,0 9,1 RSK: Vorkommnis der INES-Kategorie 3 im amerikanischen Kernkraftwerk Davis Besse vom 6. März 2002, "Borsäurekorrosion am Reaktordruckbehälterdeckel" und Schlussfolgerungen für deutsche Anlagen vom 4. März 2004 (via WayBack)
  10. 10,0 10,1 presseportal.de: Knapp am GAU vorbei. BUND warnt vor Gefahren alternder Atommeiler vom 25. April 2002
  11. DER SPIEGEL 15/2002: Fraß im Reaktordeckel vom 7. April 2002
  12. IAEO: Assessment and Management of Ageing of Major Nuclear Power Plant Components Important to Safety: PWR Pressure Vessels vom Juni 2007 (S.105)
  13. taz.de: Pannen in diversen West-AKWs vom 23. Mai 2002 (via WayBack)
  14. WANO: inside WANO 2/2006 - Wendepunkte für die Industrie von 2006 [Seite nicht mehr im Internet verfügbar]
  15. All Things Nuclear: Top NRC Sanctions vom 22. April 2014 (via WayBack)
  16. tagesschau.de: Kosten von Atomunfällen - Fukushima, Tschernobyl und viele andere vom 11. März 2014.
  17. world-nuclear-news.org: Further cracking found at Davis-Besse vom 23. September 2013
  18. NBC News: Radioactive tritium leaks found at 48 US nuke sites vom 21. Juni 2011
  19. pbadupws.nrc.gov: List of Historical Leaks and Spills At U.S. Commercial Nuclear Power Plants vom 14. Juli 2014
  20. CV News: Third Tritium leak at Catawba Nuclear Station pollutes local water vom 6. November 2013
  21. Reuters USA: FirstEnergy to replace steam generators at Ohio Davis-Besse reactor vom 22. Oktober 2013 (via WayBack)