AtomkraftwerkePlag Wiki
Advertisement

GAU in Deutschland: Was wäre, wenn ...? > Der GAU in den Medien

Zu dieser Seite

In den deutschen Medien sind Szenarien eines katastrophalen Unfalls in der Bundesrepublik insbesondere nach den Ereignissen in Tschernobyl und Fukushima beschrieben worden, nach Fukushima auch in der Schweiz.

1986

View of Chernobyl taken from Pripyat

Blick auf die Ruine des AKW Tschernobyl von der verlassenen Stadt Pripjat aus

1986, nach Tschernobyl, veröffentlichte der "Spiegel" zwei Artikel zu möglichen Atomkatastrophen in der Deutschland.

Im ersten Beitrag vom 17. August 1986 wurden, etwas zynisch, die Kenntnisse vorgestellt, die man als Pilot, Terrorist oder Schichtleiter im AKW haben müsse, um das Containment eines Reaktors zu überwinden und einen GAU auszulösen. Es wurden verschiedene Vorhersagen aufgeführt, wie oft ein solcher GAU vorkommen könne. Eine "Deutsche Risikostudie Kernkraftwerke" aus dem Jahre 1979, die für einen GAU 14.500 "Frühtodesfälle" errechnet hatte, hielt diesen nur einmal in zwei Mrd. Jahren für möglich.[1]

Diese Studie ist als Buch veröffentlicht worden,[2] aber online nicht zu finden. Im Bundestag wurde 1982 auf Studien hingewiesen, die mit 40.000 (GRS) bzw. 300.000 Todesfällen rechnen.[3])

Der "Spiegel" stellte weiter fest, dass die Vorhersagen des Professors Otfried Messerschmidt von 1980, es wäre mit einer "großen Reaktorkatastrophe nur einmal innerhalb von zehn bis 100 Millionen Betriebsjahren zu rechnen" und einige Monate später "in 10000 Betriebsjahren", unhaltbar geworden sei. Anschließend wurde fiktiv beschrieben, wie ein Jumbo in Block A des AKW Biblis stürzt und dieses außer Kontrolle gerät, oder wie sich bei anderen Szenarien eine Kernschmelze ereignet und Maßnahmen eingeleitet werden. Auch bei einem hervorragenden Krisenmanagement und einer geschulten Bevölkerung jedoch "wäre ein Super-GAU nicht erfolgreich zu managen. Programmiert sei nur das Inferno, Albert Einsteins "Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes"."[1]

Im zweiten Artikel vom Dezember 1986 wies der "Spiegel" auf ein TÜV-Papier hin, nach dem bei einer Reaktorkatastrophe in Hamburg "jegliche Hilfe illusorisch" wäre, weil bei einem GAU in den AKW Krümmel und Brunsbüttel strahlende Stoffe nach drei bis 21 Stunden massenhaft in die Umgebung austreten würden. Nach einer Kernschmelze würde der "Schmelzsee" die Wand des Reaktordruckbehälters und das Betonfundament mühelos durchschmelzen. Die Studie wurde von der schleswig-holsteinischen Regierung unter Uwe Barschel und Bundesumweltminister Wallmann heruntergespielt.[4]

2010

Die "Frankfurter Rundschau" berichtete im September 2010, anlässlich der zu jener Zeit diskutierten Laufzeitverlängerung, über eine Simulation von Greenpeace zu einem möglichen GAU im AKW Biblis. Dabei würden riesige Gebiete verstrahlt, und Frankfurt müsste komplett geräumt werden. Karten zeigen die Verbreitung des Isotops Cäsium-137. "Beim Wetter ist vom schlimmsten Fall ausgegangen worden: Einer Wetterlage mit wenig Wind aus einer Richtung. Dadurch würde sich das Cäsium auf ein Gebiet konzentrieren. Der Reaktor hinterließe nach dem Super-GAU eine Schneise konzentrierter Verseuchung". Während die Betreiber einen solchen Unfall für unmöglich hielten, wäre das Risiko für das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS)) "real".[5]

2011

"t-online.de" machte im April 2011 auf die extrem hohe Strahlenbelastung nach einem GAU aufmerksam und zitierte den Katastrophenforscher Willi Streitz: "In einer Demokratie kann man niemandem befehlen, in den Strahlentod zu gehen. So etwas kann nur ein Freiwilliger machen." Feuerwehrmänner, Polizisten und Soldaten könnten einen Einsatz ablehnen, der den sicheren Tod bedeute. Streitz weiter: "Katastrophenpläne und Sicherheitsszenarien sind oftmals nur zur Beruhigung der Öffentlichkeit geeignet und nicht zu einer tatsächlichen Vorbereitung auf den Ernstfall."[6]

Am 18. April 2011 fasste der "Spiegel" die Einschätzung von Katastrophenschützern und Organisationen dahingehend zusammen, dass der deutsche Katastrophenschutz für einen GAU wie in Fukushima nicht gerüstet sei, da man einen solchen Unfall für undenkbar gehalten hätte. "Ein durchdachter Notfallplan existiert ebenso wenig wie genügend Ausrüstung für den Fall einer atomaren Verseuchung. Eine Evakuierung größerer Städte halten Experten für nicht machbar." Experten forderten eine Übertragung der Verantwortung auf den Bund und ein Überdenken der Größe der Evakuierungszonen. Zehnttausende von Menschen könnten evtl. noch evakuiert werden, nicht aber Hundertausende. Horst Schnadt, der SSK-Experte für Notfallplanung: "Wenn wir einen Unfall wie in Fukushima bei uns nicht mehr ausschließen können, dann bedeutet dies das Ende der Kernenergie in Deutschland."[7]

Im Juni 2011 gab der "Presse-Anzeiger" in einem Artikel Tipps, wie man sich bei einem Super-GAU richtig informiert, stellte "Sieben Goldene Regeln" vor und führte weiterführende Links zum Bundesumweltministerium, dem Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) und der Strahlenschutzkommission (SSK) auf.[8]

2012

Radiation hotspot in Kashiwa 02

Stadt Kashiwa, etwa 30 Kilometer nordöstlich von Tokio im Februar 2012 - gesperrte Straße wegen eines sog. HotSpots

Anlässlich des ersten Jahrestages von Fukushima berichtete der "Spiegel", dass nach einer Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz ein Super-GAU in Deutschland in den Notfallplänen nicht berücksichtigt werde. "Radioaktive Stoffe würden weit größere Räume verstrahlen als bislang angenommen, und ganze Städte müssten evakuiert werden - dies sei "nicht in der Notfallplanung vorgesehen"."[9]

Die "Süddeutsche Zeitung" wies auf eine Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz hin, nach der Westeuropa und Teile Deutschlands alle 50 Jahre mit einem GAU rechnen müssten. Eine Computersimulation ergab, dass radioaktive Substanzen zur Hälfte 1.000 Kilometer weit und zu einem Viertel 2.000 Kilometer weit von der Katastrophenstelle niedergehen würden.[10]

Die "Welt" berichtete im Juli 2012 von Forschungen, bei denen Unfallszenarien unter Einbindung von Wettersimulationen untersucht wurden. Das Risiko sei für Süddeutschland höher als für Norddeutschland. "So könnte ein schwerer Unfall etwa im Kernkraftwerk Isar ganz Süd- und Südostdeutschland sowie Österreich und Teile Polens und Tschechiens schwer belasten." Die Sicherheitszonen in deutschen Vorschriften seien zu klein bemessen worden. Die größte Gefahr ginge von Cäsium-137 und Jod-131 aus.[11]

Der Schweizer "Tagesanzeiger" wies im September 2012 auf eine Studie des Instituts für Angewandte Ökologie in Darmstadt hin, der zufolge bei einem GAU im AKW Mühleberg (Schweiz) ein wirksamer Katastrophenschutz nicht möglich sei, ein Viertel der Schweiz kontaminiert würde, u. a. ganz Zürich, und 185.000 Menschen für immer ihre Häuser verlassen müssten.[12]

2013

2013 berichtete die "Aargauer Zeitung" über eine Notfallübung im Rahmen einer GAU-Simulation am AKW Leibstadt (Schweiz)[13], die "Badische Zeitung" über eine Katastrophenschutzübung am grenznahen elsässischen AKW Fessenheim (Frankreich).[14]

2014

Am 11. März 2014, dem dritten Jahrestag der Fukushima-Katastrophe, wies die "Südwest-Presse" darauf hin, dass die Regierung nun einen Atomunfall für nicht mehr unmöglich halte und verschiedene Behörden daraus Schlüsse für den Katastrophenschutz zögen.[15]

Im Juni kam eine Expertengruppe laut "Basler Zeitung" zum Schluss, dass die Schweiz unzureichend auf Atomkatastrophen vorbereitet sei und forderte ein besseres Alarmsystem. "Als mögliche Notfallmaßnahmen werden die Einnahme von Jodtabletten und die Alarmierung genannt. In einer späteren Phase könne auch eine Evakuierung der Bevölkerung notwendig sein".[16]

Im Oktober 2014 berichtete die "taz" auf Grundlage eigener Recherche, dass am 17. September 2013 eine geheime Übung von Bund und Ländern stattfand, bei der ein schwerer Reaktorunfall im Atomkraftwerk Emsland simuliert wurde. Dabei traten "eklatante Mängel" bei der Kommunikation und der Aufteilung der Zuständigkeiten zutage. So wurde beispielsweise "die Bevölkerung erst zu einem Zeitpunkt gewarnt, zu dem die radioaktive Wolke bereits Millionen Menschen erreicht hätte. "Die Empfehlung, Fenster und Außentüren geschlossen zu halten, kam für einige Regionen fünf Stunden zu spät"".[17] Was alles schiefging, lässt sich im Rechercheblog der "taz" nachlesen: → Was am Tag X passiert vom 24. Oktober 2014 (via WayBack).

(Letzte Änderung: 14.06.2023)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 DER SPIEGEL 34/1986: Ein kerntechnischer Unfall hat sich ereignet vom 17. August 1986
  2. zvab.de: Suchergebnisse abgerufen am 14. Juni 2023
  3. Deutscher Bundestag: Zwischenbericht und Empfehlungen der Enquete-Kommission "Zukünftige Kernenergie-Politik" über die Inbetriebnahme der Schnellbrüter — Prototypanlage SNR 300 in Kalkar (Drucksache 9/2001) vom 27. September 1982
  4. Der Spiegel 49/1986: Drei Stunden vom 1. Dezember 1986
  5. FR Online: Super-GAU-Simulation - Riesige Gebiete wären unbewohnbar vom 27. September 2010 (via WayBack)
  6. t-online.de: Super-GAU in Deutschland - nur freiwillige Helfer kämen zum Einsatz vom 4. April 2011 (via WayBack)
  7. DER SPIEGEL 16/2011: ATOMKRAFT - Größter unmöglicher Unfall vom 18. April 2011 (via WayBack)
  8. Presse Anzeiger: Wie schütze ich mich bei einer Atom-Katastrophe vom 7. Juni 2011 [Seite nicht mehr verfügbar]
  9. Spiegel Online: Studie: Atomkatastrophe würde Deutschlands Helfer überfordern vom 17. März 2012
  10. Süddeutsche.de: Ein Super-GAU pro Jahrzehnt vom 24. Mai 2012
  11. Welt Online: So würde ein GAU in Europa Deutschland verseuchen vom 5. Juli 2012
  12. tagesanzeiger.ch: Wenn aus Mühleberg ein Fukushima würde vom 6. September 2012
  13. aargauerzeitung.ch: Zweitägige Notfall-Übung simuliert GAU in Atomkraftwerk Leibstadt vom 19. November 2013 (via WayBack)
  14. Badische Zeitung: Akw Fessenheim: Region übt die Katastrophe vom 14. November 2013
  15. Südwest Presse: Bundesregierung hält Atomunfall nun für möglich vom 11. März 2014 (via WayBack)
  16. Basler Zeitung: Beim Super-GAU sollen Sirenen in der ganzen Schweiz heulen vom 5. Juni 2014
  17. taz.de: Geheime Übung von Bund und Ländern - Nicht bereit für den Super-GAU vom 24. Oktober 2014
Advertisement