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4 Druckwasserreaktoren • Leistung: 454 MW/454 MW/1.056 MW/1.090 MW •
Typ: W (2-loop)/W (2-loop)/W (3-loop)/W (3-loop) • Hersteller: Konsortium •
Baubeginn: 1969/1971/1975/1978 Inbetriebnahme: 1974/1975/1982/1985 •[1][2]
Abschaltung: 2022 (Doel-3)[3]/2025 (Doel-1 und -2/2035 (Doel-4))
Laufzeitverlängerung der zwei Altreaktoren bis 2025, von Doel-4 bis 2035
Der Standort Doel liegt im Norden Belgiens, nahe der niederländischen Grenze.[4] Das AKW ist 25 km von Antwerpen, 140 km von Aachen und 192 km von Köln entfernt.[5]
Doel ist neben Tihange eines von zwei AKW-Standorten, die vom Unternehmen Electrabel in Belgien betrieben werden; Eigentümer ist die Indivision Doel. Die beiden älteren Reaktoren Doel-1 und Doel-2 mit einer Leistung von je 454 MW sind bereits 1974/1975 in Betrieb gegangen, Doel-3 mit 1.056 und Doel-4 mit 1.090 MW laufen seit 1982 bzw. 1985.[1] Doel-3 wurde am 23. Sptember 2022 endgültig abgeschaltet.[3] Hersteller von Doel-1, -2 und -4 war ein Konsortium aus ACEC, COCKERILL und Westinghouse, von Doel-3 aus Framatome (heute AREVA), ACEC und COCKERILL.[2]
Im EU-Stresstest schnitt das AKW Doel aufgrund fehlender Erdbebensicherheit bei den Reaktoren 1 und 2 besonders schlecht ab.[6]
Am 4. Juli 2012 entschied die belgische Regierung, dass Doel 1 und 2 im April 2015 stillgelegt werden sollen, die anderen belgischen Reaktoren bis 2025.[7] Am 18. Dezember 2014 wurden diese Beschlüsse jedoch widerrufen. Die Laufzeiten von Doel-1 und -2 wurden um zehn Jahre bis 2025 verlängert.[8]
Am 15. Februar 2015 nahm Electrabel Doel-1 vom Netz, weil ein AKW laut belgischem Gesetz nur maximal 40 Jahre betrieben werden darf. Da Investitionen von mehreren hundert Millionen Euro für eine Betriebsverlängerung zu tätigen wären, verlangt Electrabel klare rechtliche und ökonomische Rahmenbedingungen.[9]
Am 1. Oktober 2015 genehmigte die belgische Aufsichtsbehörde AFCN den Weiterbetrieb von Doel-1 und -2 bis 15. Februar 2025 bzw. 31. Dezember 2025.[10]
Anfang März 2020 widersprach das Verfassungsgericht einem Gesetz der Regierung für eine zehnjährige Laufzeitverlängerung, weil "eine Umweltfolgenabschätzung und ein Widerspruchsverfahren" nicht durchgeführt wurden. Die Regierung muss dies nun nachholen.[11]
Im März 2022 kündigte die belgische Regierung an, Tihange-3 und Doel-4 bis 2035 weiterlaufen lassen zu wollen, um die Energiesicherheit angesichts stark angestiegener Energiepreise gewährleisten zu können.[12]
Risse und andere Pannen
Am 19. März 2011 wurde in Doel-4 ein Schaden an einer Wasserpumpe entdeckt und behoben, ein Zwischenfall, der als Störfall der INES-Stufe 2 bewertet wurde.[13]
Im August 2012 wurden Risse in einem Reaktorbehälter des Atomkraftwerks Doel entdeckt, woraufhin die Reaktoren Doel 3 und Tihange 2 ausgeschaltet wurden.[14] Es waren Tausende von Stellen betroffen, die zum Teil nur wenige Zentimeter von der stark belasteten Innenwand der Reaktordruckbehälter entfernt waren.[15] Nach Informationen vom Januar 2014 sind 8.700 Risse im Druckbehälter von Doel 3 und rund 2.000 Risse im Druckbehälter von Tihange 2 gezählt worden.[16]
2013 wurden die beiden Reaktoren intensiv getestet. Am 24. Mai 2013 verkündete Jan Bens, der Leiter der belgische Atomaufsichtsbehörde (FANC oder auch FANK), die Reaktoren seien zu "101 % sicher". Eine Katastrophe sei seiner Meinung nach trotz der Risse ausgeschlossen, wohingegen eine Wiederinbetriebnahme durch viele belgische und internationale Spezialisten als sehr gefährlich angesehen wurde.[17]
Am 2. Juni 2013 wurde Doel-3 unter zusätzlichen Auflagen wieder in Betrieb genommen. Die rheinland-westfälische Landesregierung erklärte, dass sie dies bei Reaktoren "mit ihrem antiquierten technischen Design und den durch jahrzehntelange Nutzung beanspruchten Anlagensystemen" für unverantwortlich halte. Sie setzte sich mit dem damaligen deutschen Umweltminister mit der Bitte in Verbindung, sich für eine "sofortige und dauerhafte Abschaltung“ einzusetzen.[18]
Auch bei einer Konferenz in Aachen im Januar 2014, an der das Aktionsbündnis gegen Atomenergie Aachen, renommierte Wissenschaftler und die Fraktion der Grünen/EFA im Europäischen Parlament teilnahmen, stieß die Entscheidung für die Wiederinbetriebnahme auf Unverständnis.[19] Das Ziel der Konferenz war die Erstellung eines Berichts, mit dem die belgische Atomaufsichtsbehörde, die Regierungen Belgiens und Deutschlands sowie die EU-Kommission unter Druck gesetzt werden sollten.[16]
Im Februar 2014 musste Doel-1 wegen einer Panne mittels Notabschaltung heruntergefahren werden. Die Ursache dafür ist unklar.[20]
Da zusätzliche Tests bei Doel 3 und Tihange 2 nicht so erfolgreich verliefen, wie man sich dies erwartet hatte, wurden beide Reaktoren am 27. März 2014 von Electrabel neuerdings abgeschaltet.[21]
Im August 2014 wurde gemeldet, Doel-3 und Tihange-2 seien so schwer beschädigt, dass sie möglicherweise nie wieder ans Netz gehen werden. Es sei nicht möglich, die Reaktordruckbehälter auszutauschen.[22]
Im Februar 2015 wurde bekannt, dass sich an den Reaktordruckbehältern der Einheiten Doel-3 und Tihange-2 nicht nur 10.000, sondern 16.000 Risse befinden, die wahrscheinlich auf Materialermüdung zurückzuführen sind. Die belgische Atomaufsicht befürchtete ein Problem für die ganze Atombranche weltweit.[23]
Am 25. Dezember 2015 wurde Doel-3 wegen eines Wasserlecks vom Netz genommen. Am 2. Januar 2016 schaltete sich Doel-1 selbst ab; obwohl die Ursache völlig unklar war, kommentierte Elextrabel mit der üblichen Worthülse, es bestehe keinerlei Gefahr.[24]
Am 30. April 2018 wurde bekannt, dass in Doel-1 aus einer Wasserleitung des Notkühlsystems im hochradioaktiven Bereich Borwasser austrat. Der Betreiber räumte ein, dass das Wasser radioaktiv belastet sein könne; es wurde aufgefangen und beseitigt.[25]
Sabotage
Im August 2014 wurde Doel-4 wegen Sabotage abgeschaltet. Eine Dampfturbine im nichtnuklearen Teil der Einheit überhitzte und schaltete sich automatisch ab, nachdem eine oder mehrere Personen ca. 65.000 Liter Turbinenöl auslaufen ließen. Die Staatanwaltschaft leitete Ermittlungen ein.[26]
Im Oktober 2014 wurde entdeckt, dass ein "polizeibekannter Dschihadist bis November 2012 für rund drei Jahre im Hochsicherheitsbereich dieses Atomkraftwerks als Sicherheitstechniker gearbeitet hatte".[27] Im Dezember 2014 kamen Vermutungen auf, es könne sich bei dem Vorfall im August 2014 um einen Terrorakt gehandelt haben.[28] 30 Mitarbeiter, die vor allem bei Subunternehmen angestellt waren und zu jener Zeit im Maschinenraum beschäftigt waren, dürfen seit Anfang Januar 2015 das Betriebsgelände nicht mehr betreten.[29]
Am 25. März 2016, wenige Tage nach den Terroranschlägen in Brüssel, wurde bekannt, dass der Vorfall vom August 2014 bis zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht geklärt war.[27]
(Letzte Änderung: 03.10.2022)
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 IAEO: PRIS - Country Statistics/Belgium abgerufen am 3. Oktober 2022
- ↑ 2,0 2,1 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
- ↑ 3,0 3,1 nuklearborum.ch: Belgiens Atomausstieg: Doel-3 endgültig abgeschaltet vom 26. September 2022
- ↑ WNA Reactor Database: Doel 1, Belgium abgerufen am 9. April 2016
- ↑ WDR: Atomkraft rund um NRW vom 21. März 2011 (via WayBack)
- ↑ Spiegel Online: Europäische Atomanlagen: Umweltschützer kritisieren AKW-Stresstest vom 14. Juni 2012
- ↑ BRF online: Wathelet: Electrabel blufft mit Drohung wegen Tihange vom 5. Juli 2012
- ↑ Zeit Online: Belgien verlängert Laufzeit zweier Atomreaktoren um zehn Jahre vom 18. Dezember 2014 (via WayBack)
- ↑ nuklearforum.ch: Belgien: Doel-1 abgeschaltet vom 17. Februar 2015
- ↑ nuklearforum.ch: Aufsichtsbehörde genehmigt Betriebsverlängerungen für Doel-1 und -2 vom 8. Oktober 2015
- ↑ grenzecho.net: Ministerrat hat die Weichen für die Laufzeitverlängerung von Doel 1 und 2 gestellt vom 20. Juni 2020
- ↑ Focus Online: Kraftwerk nahe deutscher Grenze betroffen: Belgien verschiebt Atomausstieg um zehn Jahre vom 18. März 2022
- ↑ BRF: Electrabel: Zwischenfall in Doel – keine Gefahr vom 19. März 2011
- ↑ derStandard: Belgien: Riss im Reaktorbehälter von AKW vom 9. August 2012
- ↑ Spiegel Online: Materialprobleme: Deutsche Kernkraftwerke frei von belgischer Krankheit vom 16. November 2012
- ↑ 16,0 16,1 Aachener Zeitung: Gegner von Tihange formieren sich neu vom 24. Januar 2014
- ↑ grenzecho.net: Kernkraft: Grünes Licht für Doel 3 und Tihange 2 - "Alles wurde getestet und berechnet" vom 24. Mai 2013 [Seite nicht mehr verfügbar]
- ↑ Landtag Rheinland-Pfalz: Wiederanfahren der Atomkraftwerke Tihange 2 und Doel 3 (Drucksache 16/2492) vom 25. Juni 2013
- ↑ deredactie.be: Aachen: Konferenz zu den Meilern Tihange und Doel vom 26. Januar 2014
- ↑ tageblatt.lu: Notabschaltung von Doel 1 vom 14. Februar 2014 (via WayBack)
- ↑ n-tv.de: Zwei AKW bestehen Tests nicht - Belgische Pannen-Reaktoren gestoppt vom 27. März 2014
- ↑ heise.de: Zwei belgische Atommeiler vor der definitiven Abschaltung? vom 20. August 2014
- ↑ taz.de: Risse in Atomreaktoren Belgien warnt den Rest der Welt vom 17. Februar 2015
- ↑ ORF: Reaktor von belgischem AKW Doel schaltet sich selbst ab vom 3. Januar 2016
- ↑ WDR: Störfall im belgischen AKW Doel 1 vom 29. April 2018 (via WayBack)
- ↑ Aachener Zeitung: Ermittlungen wegen Sabotage: Belgischer Reaktor vorerst außer Betrieb vom 14. August 2014
- ↑ 27,0 27,1 Der Tagesspiegel: Angst vor den eigenen Mitarbeitern im Atomkraftwerk vom 25. März 2016
- ↑ RP Online: Terrorakt könnte Grund für Ausfall von Akw Doel sein vom 10. Dezember 2014
- ↑ Tageblatt Online: Hausverbot für Atom-Reaktor-Angestellte vom 6. Januar 2015 (via WayBack)