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Kernfusion und Fusionsanlagen > ITER (Frankreich)

Typ: Tokamak • Hersteller: Organisation ITER • Plasmatemperatur: 150 Mio. Grad • Leistung: 500 MW •
Projektstart: 21. November 2006 • Baubeginn: 2010 • Geplante Inbetriebnahme: Dezember 2025


Kernfusionsanlage in Südfrankreich

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Standort ITER (2018)

Der Internationale Thermonukleare Experimentalreaktor ITER (lateinisch: der Weg) ist eine Kernfusionsanlage, die auf dem Gelände des Forschungszentrums Cadarache in Südfrankreich errichtet wird.[1]

Die Idee, eine Kernfusionsanlage in internationaler Zusammenarbeit zu entwickeln, hatte 1985 der damalige sowjetische Ministerpräsident Gorbatschow entwickelt und dem US-Präsidenten Reagan vorgeschlagen. Ein Jahr später unterzeichneten die Europäische Union (EURATOM), Japan, die ehemalige Sowjetunion und die USA ein erstes Abkommen zu ITER. Bis 2001 wurde ein Design entwickelt, und 2003 schlossen sich China und Südkorea sowie 2005 Indien der Initiative an.[2] Später wurden Abkommen zur technischen Kooperation mit Australien, Kasachstan und Kanada abgeschlossen.[3]

Nach dem ursprünglichen Konzept von 1998 sollte ITER ein Plasmavolumen von 2.000 Kubikmetern besitzen und damit die 20fache Größe des Joint European Torus (Großbritannien). Die Leistung sollte 1.500 MW über eine Dauer von 1.000 Sekunden betragen. Die USA zogen sich jedoch 1999 vorübergehend aufgrund lokaler Projekte zurück, andere Länder hatten finanzielle Probleme. Deswegen wurde das Plasmavolumen auf 840 Kubikmetern mit eine Fusionsleistung von 500 Megawatt verringert; damit wird das Plasma voraussichtlich nicht mehr aus sich selbst heraus brennen können.[4]

2006 wurde ein Vertrag zur Gründung der internationalen Organisation ITER unterschrieben, dem Bau, Betrieb und Stilllegung des Vorhabens übertragen wurden. Als Standort des Projekts wurde die südfranzösische Gemeinde Saint Paul-lez-Durance nördlich von Marseille gewählt, und im Jahr 2010 mit dem Bau begonnen.[2]

Auf dem Forschungsgelände Cadarache bei Saint Paul-lez-Durance wird seit 2016 bereits Tore Supra/WEST, eine Anlage zur Erforschung der Kernfusion, betrieben.

150 Mio. Grad heißes Plasma

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ITER by drone (Oktober 2019)

Der Experimentalreaktor ITER ist Teil von EUROfusion, einem Programm der Europäischen Union, mit dem die Entwicklung der Kernfusion vorangetrieben werden soll.[5]

ITER wird mit einem Gewicht von 23.000 Tonnen die künftig größte Kernfusionsanlage vom Typ Tokamak sein. 2025 soll zum ersten Mal Plasma erzeugt werden. Ab 2035 soll als Brennstoff eine Mischung aus Deuterium und Tritium verwendet werden, die auf bis zu 150 Mio. Grad Celsius erhitzt werden soll. Bei einem Input von 50 MW erhofft man sich einen Output von 500 MW Energie.[6][7]

Iter_soll_die_Energieprobleme_der_Menschheit_lösen_-_hi-tech

Iter soll die Energieprobleme der Menschheit lösen - hi-tech

Die Fusionsleistung wird noch nicht für eine Netto-Stromerzeugung ausreichen,[8] die Anlage soll aber den Beweis liefern, dass Kernfusion als Energiequelle genutzt und darüber hinaus Tritium erzeugt werden kann.[6] ITER gilt als Wegbereiter für die im Planungsstadium befindliche Anlage → DEMO, mit der ab 2050 im kommerziellen Maßstab Energie generiert werden soll.

Im Juli 2018 erreichten Forscher am München Planck-Institut für Plasmaphysik in München einen Durchbruch: Sie erzeugten einen Plasmastrahl aus negativ geladenen Wasserstoff-Ionen mit der für ITER nötigen Stromstärke von 23 Ampere und konnten diesen 1.000 Sekunden aufrechterhalten. Der Plasmastrahl soll später in ITER eingesetzt werden.[9]

Im Oktober 2020 erklärte sich Kanada bereit, in seinen CANDU-Reaktoren erzeugtes Tritium sowie damit verbundene Ausrüstung und Technologie an die ITER-Organisation zu liefern.[10]

Bauarbeiten, Montage, Verzögerungen

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Modell der Anlage

Nachdem 2007 bis 2009 das Gelände gerodet und eingeebnet worden war, begannen 2010 die Bauarbeiten an der Anlage. 2012 erhielt ITER eine Baulizenz nach französischem Recht.[6] Laut einer Meldung der ITER-Homepage waren im Dezember 2017 das Design zu 95 %, Konstruktion und Gebäude zu 53 % fertiggestellt.[11] Am 21. November 2019 wurde gemeldet, dass das Reaktorgebäude und insgesamt 65 % der für die Erzeugung des ersten Plasmas notwendigen Anlagen fertiggestellt seien.[12]

Nachdem Ende Mai 2020 der Kryostat, der die Anlage umschließen und von der Umgebung abschirmen wird, positioniert wurde, begannen am 28. Juli offiziell die Montagearbeiten am Fusionsreaktor.[13]

Die Inbetriebnahme mit der ersten Erzeugung von Plasma war ursprünglich für 2016 vorgesehen, wurde aber bereits im Jahr 2013 von der Organisation ITER auf das Jahr 2020 verschoben.[1] 2016 wurde eine Verschiebung um weitere fünf Jahre auf Dezember 2025 angekündigt.[14]

Das Projekt kämpfte mit großen technischen Problemen und drohte mehrmals an Geldmangel zu scheitern. Ursprünglich war ein Budget von 5 Mrd. Euro vorgesehen.[15] Kurz nach Baubeginn wurden schon 10 Mrd. Euro angegeben. Im Februar 2013 lagen die Schätzungen bei 13. Mrd. Euro, im Oktober 2016 bei 18 Mrd. Euro.[1][16] 2017 wurde von Kosten in Höhe von 20 bis 22 Mrd. Euro ausgegangen.[17]

Da die großen Aufträge für ITER an französische Unternehmen vergeben wurden, deutsche Firmen und Forschungseinrichtungen jedoch fast leer ausgingen, stellte die Bundesregierung im September 2012 die Projektförderung für deutsche Anbieter ein. Deutschland trägt jedoch weiterhin 20 % des EU-Beitrags zum Bau der Anlage.[18]

Kritiker sehen den Bau der Kernfusionsanlage als "Milliardengrab".[19]

Laut einem Artikel der "Scientific American" vom Juni 2023 ist ungewiss, wann und mit welchen Kosten ITER fertiggstellt werden könne.[20]

Weitere Links

→ iter.org: iter – Unlimited Energy (Homepage)
→ baublatt.ch: ITER: Der grösste Fusionsreaktor der Welt vom 13. Januar 2020
→ diif.de: Deutsches ITER Industrie Forum e.V. (dIIf)

(Letzte Änderung: 22.11.2023)

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 nuklearforum.ch: Iter: erstes Plasma für 2020 geplant vom 25. Februar 2013
  2. 2,0 2,1 ITER: The ITER Story abgerufen am 2. November 2020
  3. ITER: ITER Members abgerufen am 2. November 2020
  4. nzz: Der lange Weg zu einem Fusionskraftwerk vom 29. Juni 2005
  5. EUROFusion: Fusion Electricity - A roadmap to the realisation of fusion energy vom November 2012
  6. 6,0 6,1 6,2 ITER: What is ITER? abgerufen am 2. November 2020
  7. ITER: ITER: The world's largest Tokamak abgerufen am 2. November 2020
  8. fz-juelich.de: ITER abgerufen am 2. November 2020
  9. MDR: Münchner bauen Plasmaheizung für Kernfusionsreaktor vom 11. Juli 2018
  10. nuklearforum.ch: Kanada liefert Tritium für Iter-Projekt vom 26. Oktober 2020
  11. ITER: Halfway to First Plasma vom 11. Dezember 2017
  12. ITER: 25thITER Council: All efforts converging toward the start of machine assembly vom 21. November 2019
  13. faz.net: Fusionsreaktor Iter - Die neue Sonne nimmt Gestalt an vom 28. Juli 2020
  14. nuklearforum.ch: Iter: erstes Plasma Ende 2025 vom 21. Juni 2016
  15. Spiegel Online: "Iter" angeblich vor Kostenexplosion vom 11. Juni 2008
  16. Süddeutsche.de: Die Geldverbrennungsmaschine der Physik vom 17. Oktober 2016
  17. n-tv.de: Fusionsreaktor Iter macht Fortschritte vom 6. Dezember 2017
  18. FTD.de: Energiewende: Bundesregierung kappt Geld für Kernfusion vom 16. September 2012 (via WayBack)
  19. Welt Online: Der Traum von endloser Energie aus Kernfusion vom 1. Dezember 2012
  20. scientificamerican.com:World’s Largest Fusion Project Is in Big Trouble, New Documents Reveal vom 15. Juni 2023
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