Atomenergie in Europa > Ungarn > Paks (Ungarn)
4 Druckwasserreaktoren •
Leistung: 4 x 500 MW • Hersteller: Atomenergo Export • Typ: 4 x WWER V-213 •
Baubeginn: 1974/1974/1979/1979 • Inbetriebnahme: 1982/1984/1986/1987 •[1][2] Abschaltung: offen

AKW Paks (Ungarn)
Das Atomkraftwerk Paks liegt in Zentralungarn bei Paks an der Donau, ca. 100 km südlich von Budapest, und ist nur 150 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt.[3][4]
Es besteht aus vier Druckwasserreaktoren sowjetischer Bauart und je 500 MW Leistung, mit deren Bau 1974/1979 begonnen wurde und die von 1982 bis 1987 in Betrieb gingen. Hersteller der Anlage war Atomenergo Export. Eigentümer ist die Hungarin Power Companies Ltd., Betreiber die MVM Paks Nuclear Power Plant Ltd.[1][2] 1979 und 1981 wurden ein fünfter und sechster Reaktor vom Typ WWER mit je 1.000 MW Leistung bestellt, die ab 1994 und 1996 Strom liefern sollten, aber im November 1989 verworfen wurden.[2][5]
Das AKW deckt über 50 % des Strombedarfs in Ungarn ab.[6] Für die Einheiten 1 bis 3 hat die ungarische Atomenergiebehörde Laufzeitverlängerungen um 20 Jahre bis 2032, 2034 und 2036 gebilligt.[7]
Die Reaktoren sind vom gleichen Typ wie die des AKW Greifswald/Lubmin (Mecklenburg-Vorpommern), welche aus Sicherheitsgründen stillgelegt wurden. Deshalb wurden Paks-1 bis -4 in den 1990er Jahren mit Unterstützung der USA und hohen Kosten technisch aufgerüstet. Das Projekt AGNES, bei dem 1993 die Reaktorsicherheit untersucht wurde, kam allerdings zum Ergebnis, dass Paks einen Flugzeugabsturz nicht überstehen würde.[8]
Neue Reaktoren geplant
Budapest Greenpeace-Protest gegen AKW "Paks"
Veröffentlicht in YouTube am 03. Februar 2014
Die ungarische Regierung möchte zwei neue Einheiten am Standort Paks bauen und begründete ihre Entscheidung 2011 u.a. damit, dass sich aufgrund des deutschen Atomausstiegs Exportchancen für Ungarns Atomstrom bieten würden und "man nach dem Ausbau konkurrenzlos billig Strom anbieten" könne.[9] Die neuen Reaktoren sollen zwei ältere ersetzen, deren Betriebszeit 2037 endet.[10]
Am 14. Januar 2014 wurde gemeldet, dass Ungarn mit Russland einen Vertrag über den Bau von zwei neuen Einheiten mit einer Leistung von je 1.200 MW abgeschlossen hat. Das Projekt wurde nicht ausgeschrieben. Die Kosten von 10 bis 12 Mrd. Euro soll Russland größtenteils als Kredit zur Verfügung stellen.[11]
Im Februar 2014 gelangte eine interne Studie von MVM, des Betreibers von Paks, an die Öffentlichkeit, in der vor einer Verdopplung des Strompreises in Ungarn wegen der hohen Ausbaukosten des AKWs gewarnt wird. Die Regierung hatte diese Studie zuvor unterdrückt und verwies auf die günstigen Konditionen für den Kredit durch Russland. Da sie aber eine Erhöhung des Strompreises, Steuererhöhungen oder eine weitere Neuverschuldung gleichermaßen ablehnt, weiß niemand, wie der Eigenanteil Ungarns am Ausbau finanziert werden soll.[12]
Am 27. Juni 2014 billigte das ungarische Parlament die Kreditvereinbarung zwischen Ungarn und Russland.[13]
Nach einer Meldung vom 12. Oktober 2014 sollten die Bauarbeiten 2018 beginnen, die beiden neuen Einheiten Paks-5 und -6 in den Jahren 2025 und 2026 in Betrieb genommen werden und zunächst parallel mit den alten Einheiten Strom liefern. 2025 muss Ungarn mit der Rückzahlung des 10 Mrd. Euro hohen Kredits beginnen. Den Ausbau des AKWs soll der russische Staatskonzern ROSATOM übernehmen.[14]
Im November 2015 leitete die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn ein. Nach Ansicht der Kommission habe Ungarn ROSATOM den Auftrag zum Bau neuer Reaktoren "ohne transparentes Verfahren" erteilt.[15]
Bei der World Nuclear Association (WNA) werden Paks-5 und -6 als geplante Einheiten aufgelistet; sie sollen mit Reaktoren vom Typ WWER-1200/V-527 ausgerüstet werden; mit den Bauarbeiten soll 2025 begonnen werden, und die Einheiten sollen 2032 ans Netz gehen.[16]
Partielle Kernschmelze 2003 und andere Störfälle
Im November 1995 wurde ein verklemmter Kontrollstab entdeckt, im August 1996 fand man mehrere hundert Teile Fremdmaterial im Primärkreislauf – beides zusammen wurde als Störfall der INES-Stufe 2 klassifiziert.[17]
2003 ereignet sich am Reaktor 2 ein ernster Störfall der INES-Stufe 3[18], bei dem mehrere Brennelemente beim Reinigen beschädigt wurden und radioaktives Gas austrat. Es wurde niemand verletzt, aber der Reaktor konnte erst vier Jahre später wieder in Betrieb genommen werden.[19] In einem Bericht der IAEO hieß es, man habe zunächst in einem Reinigungsbecken nahe des Reaktorkerns erhöhte Strahlung festgestellt und öffnete das Reinigungssystem. "Es stellte sich heraus, dass die Mehrzahl der 30 Brennelemente durch mangelnde Kühlung überhitzt und stark beschädigt beziehungsweise angeschmolzen waren." Die havarierten Brennelemente wurden im August 2014 mit der Eisenbahn ins russische Majak transportiert, ohne dass die Öffentlichkeit zu jener Zeit davon informiert wurde.[20]
Zwischenfall in ungarischem AKW - Reaktor abgeschaltet
Veröffentlicht in YouTube am 14. Juli 2016 (Video nicht mehr verfügbar)
2008 kam es "wegen falsch durchgeführter Wartungsarbeiten" zu einem Vorfall, der als Störfall der INES-Stufe 1 klassifiziert wurde.[21]
Über ein Jahr wurde ein Vorfall verschwiegen, der sich im November 2013 ereignet hatte. Aus einem Lagertank für gebrauchte Brennelementekanister waren ca. 60.000 Liter Wasser ausgelaufen. Die Flüssigkeit war mit Borsäure angereichert und aus korrodierten Leitungen ausgetreten. Dies wurde in der Öffentlichkeit erst im Januar 2015 bekannt.[22]
→ MVM Paks Nuclear Power Plant (Homepage)
(Letzte Änderung: 13.03.2024)
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 IAEO: PRIS - Country Statistics/Hungary abgerufen am 3. Mai 2021
- ↑ 2,0 2,1 2,2 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE von 1997
- ↑ WNA Reactor Database: Paks 1, Hungary abgerufen am 3. Mai 2021
- ↑ oe24.at: AKWs um Österreich nicht sicher vom 28. März 2011
- ↑ IAEO PRIS: PAKS-5 und PAKS-6 abgerufen am 4. Juni 2011 (via WayBack)
- ↑ MVM Paks Nuclear Power Plant - About us abgerufen am 28. November 2015
- ↑ nuklearforum.ch: Ungarn: Laufzeitverlängerung für Paks-3 vom 6. Januar 2017
- ↑ Pester Lloyd: Schmutzige Geheimnisse II: Das ungarische Atomkraftwerk Paks und AGNES vom 13. Mai 2011
- ↑ Pester Lloyd: Weil Deutschland aussteigt, baut Ungarn die Atomkraft aus vom 15. Juni 2011
- ↑ nachrichten.at: Ungarns Regierung bereitet Ausbau von AKW Paks vor vom 31. Mai 2012
- ↑ Spiegel Online: Atomkraftwerksbau: Ungarn vergibt milliardenschweren Auftrag an Russland vom 14. Januar 2014
- ↑ Pester Lloyd: "Extrem vorteilhaft" vom 10. Februar 2014
- ↑ Budapester Zeitung: Kreditvereinbarung zur Finanzierung des AKW Paks-2 - 10-Milliarden- Euro-Geschäft vom 27. Juni 2014
- ↑ wirtschaftsblatt.at: Paks – "Russland-Sanktionen ohne Einfluss auf AKW-Erweiterung in Ungarn" vom 12. Oktober 2014
- ↑ derStandard: Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen AKW Paks vom 19. November 2015 (via WayBack)
- ↑ WNA: Nuclear Power in Hungary abgerufen am 13. März 2024
- ↑ Nuclear Energy Institute: Soviet-Designed Nuclear Power Plants in Russia, Ukraine, Lithuania, Armenia, the Czech Republic, the Slovak Republic, Hungary and Bulgaria (Fifth Edition) von 1997 (via WayBack)
- ↑ world-nuclear.org: Safety of Nuclear Power Reactors abgerufen am 4. Mai 2021
- ↑ heise.de: Bitte mehr Atom vom 15. Oktober 2013
- ↑ Pester Lloyd: In aller Stille: Ungarn transportierte Brennstäbe aus Atomstörfall in Paks heimlich nach Russland vom 17. August 2014
- ↑ n24.de: Störfall im ungarischen AKW Paks vom 8. Juli 2008 (via WayBack)
- ↑ Pester Lloyd: 60.000 Liter Borwasser "verloren": Vorfall in Ungarns AKW Paks von 2013 wurde totgeschwiegen vom 18. Januar 2015