Aktive Reaktoren in Deutschland > Reaktortypen
Leichtwasserreaktoren
Leichtwasserreaktoren, zu denen Druck- und Siedewasserreaktoren gehören, sind die gängigsten weltweit betriebenen AKW: ihr Anteil liegt bei über 85 %.[1]
Bei Leichtwasserreaktoren wird als Kühlmittel und Moderator leichtes (natürliches) Wasser verwendet. Ein Moderator (Bremsmittel) ist notwendig, um Neutronen zu verlangsamen und die Wahrscheinlichkeit von Kernspaltungen zu erhöhen. Natürliches Wasser eignet sich dafür gut, hat aber den Nachteil, dass es Neutronen absorbiert. Deshalb werden Leichtwasserreaktoren mit angereichertem Uran betrieben, bei dem der natürliche Anteil des spaltbaren Uran-235 von 0,7 auf 3 bis 5 % erhöht worden ist. Damit erhält man mehr Neutronen und kann den Neutronenverlust ausgleichen. Leichtwasserreaktoren können darüber hinaus auch mit Mischoxiden (MOX) betrieben werden.[2][3]
→ RP-Energielexikon: Urananreicherung
Druckwasserreaktoren
In Druckwasserreaktoren (DWR) fließt hoch komprimiertes, aber nicht kochendes Wasser durch den Reaktor und sammelt die durch die atomare Kettenreaktion erzeugte Wärme auf. Die Wärme aus diesem Primärkreislauf wird über Dampferzeuger in einen Sekundärkreislauf überführt, wo das Wasser zu Dampf erhitzt wird und mit einer Dampfturbine und einem Generator Strom erzeugt. Die frei werdende Wärme wird über einen dritten Kreislauf an ein Gewässer oder einen Kühlturm abgegeben. Kennzeichnend für Druckwasserreaktoren ist, dass sich der Reaktordruckbehälter und alle Bestandteile des Primärkreislaufes in einem Reaktorsicherheitsbehälter befinden. Unter normalen Umständen sollen radioaktive Substanzen den Primärkreislauf nicht verlassen können.[4]
Siedewasserreaktoren
Bei Siedewasserreaktoren (SWR) hingegen gibt es nur einen Wasserkreislauf, in dem das Wasser unter geringerem Druck durch den Reaktorkern fließt, zum Kochen gebracht wird und direkt eine Turbine antreibt. Der Dampf enthält radioaktive Stoffe, die sich auf den Frischdampfleitungen, der Turbine, dem Kondensator und den Speisewasserleitungen ablagern.[5] Bei Störfällen ist es wahrscheinlicher als bei Druckwasserreaktoren, dass Radioaktivität austritt. "Kommt es etwa im Maschinenhaus zu einem Defekt im Rohrleitungssystem, wird radioaktiver Dampf freigesetzt. In solch einem Fall könnte ein großer Kühlmittelverlust folgen, der wiederum schnell zu einer Kernschmelze führen kann."[6]
Im Siedewasserreaktor Gundremmingen A war es im Jahr 1977 zu einem schwereren Störfall mit einer Freisetzung radioaktiven Dampfes ins Reaktorgebäude gekommen. Die Einheit wurde danach für immer abgeschaltet.
Eine Sonderform des Siedewasserreaktors war das Atomkraftwerk Großwelzheim (Bayern) mit Dampfüberhitzung, von dem man sich einen höheren Wirkungsgrad als bei herkömmlichen Siedewasserreaktoren erwartete. Die Anlage musste jedoch wegen konstruktionsbedingter Mängel bereits eineinhalb Jahre nach Betriebsbeginn stillgelegt werden.
Schwerwasserreaktoren
Bei Schwerwasserreaktoren werden Natururan oder angereichertes Uran als Brennstoff und schweres Wasser als Kühlmittel und Moderator verwendet.[2]
In Deutschland war an der Entwicklung von Schwerwasserreaktoren mit Natururan als Brennstoff bereits in den 1940er Jahren gearbeitet worden. Daran anknüpfend wurde in den 50er Jahren die Schwerwasserlinie zunächst fortgeführt.
Die zwei einzigen Atomkraftwerke dieser Art in Deutschland waren der Mehrzweckforschungsreaktor Karlsruhe (MZFR), ein Schwerwasser-Druckkesselreaktor auf dem Gelände des Forschungszentrum Karlsruhe in Baden-Württemberg (Betrieb 1965-1984) und der Schwerwasser-Druckröhrenreaktor Niederaichbach, der es von 1972 bis 1974 nur auf eine Betriebsdauer von insgesamt 18 Tagen brachte.
Erfolgreicher waren die kanadischen CANDU-Reaktoren, die mit Natururan als Brennstoff und Deuterium (2H, nicht radioaktiv) als Moderator betrieben werden. Alle aktiven Reaktoren in Kanada sind von dieser Bauart, und weitere wurden ins Ausland exportiert.[7] In Indien werden einheimische Druckwasserreaktoren hergestellt und betrieben.
Leichtwasser-Schwerwasserreaktoren
Dieser Reaktortyp wurde mit Mischoxiden (angereichertem Uran und Plutonium) als Brennstoffe, mit leichtem (natürlichen) Wasser als Kühlmittel und schwerem Wasser als Moderator betrieben. Beispiele für Leichtwasser-Schwerwasserreaktoren waren Fugen (Japan) und Cirene (Italien).
Gasgekühlte Reaktoren
Gasgekühlte Reaktoren werden mit Natururan oder angereichertem Uran als Brennstoff, Gas als Kühlmittel und Graphit als Moderator betrieben.[2] Sie wurden in verschiedener Bauart vor allem in Großbritannien und Frankreich hergestellt.
In Großbritannien wurden zunächst gasgekühlte Reaktoren des Herstellers Magnox an den Standorten Berkeley, Bradwell, Calder Hall, Chapelcross, Dungeness, Sizewell A, Hunterston, Hinkley Point A, Oldbury und Trawsfynydd betrieben, die alle stillgelegt sind. Alle heute in Großbritannien betriebenen Einheiten sind bis auf Sizewell-B von der Bauart Advanced Cooled Reactors (AGR).
In Frankreich wurden gasgekühlte Reaktoren von Typ UNGG (Uranium Naturel Graphite Gaz) hergestellt, die mittlerweile ebenfalls alle stillgelegt sind: in Bugey, Chinon, Marcoule, Saint-Laurent sowie in Vandellós (Spanien). Die UNGG-Reaktoren Saint-Laurent A-1 und A-2 verursachten partielle Kernschmelzen in den Jahren 1969 und 1980. In Vandellós (Spanien) ereignete sich 1989 ein ernster Störfall, der fast zu einem GAU führte.
Wasser-Graphit-Reaktoren
Wasser-Graphit-Reaktoren werden mit Natururan oder angereichertem Uran als Brennstoff betrieben. Als Kühlmittel wird leichtes (natürliches) Wasser, als Moderator Graphit verwendet. Als Typen sind die sowjetischen RBMK, zu denen auch die Tschernobyl-Reaktoren gehören, und GLWR zu nennen.[2]
Hochtemperaturreaktoren
Hochtemperaturreaktoren (HTR) wurden mit dem Ziel gebaut, durch 750 bis 900 Grad Celsius hohe Betriebstemperaturen nicht nur Dampf, sondern auch Prozesswärme zu erzeugen. So sollte ein höherer Wirkungsgrad bei der Energieumwandlung erzielt werden. Außerdem sollte der HTR aufgrund seiner technischen Eigenschaften Kernschmelzen oder Freisetzungen von Radioaktivität verhindern. Die in Deutschland entwickelten HTR, sogenannte Kugelhaufenreaktoren, wurden mit Kugeln als Brennelementen betrieben, die als Spaltstoff Uran-235 und als Brutstoff Thorium-232 enthielten. Thorium-232 kann zwar nicht direkt gespaltet, aber durch Neutronenabsorption zunächst in Thorium-233, danach in Proactinium-233 und schließlich in Uran-233 umgewandelt werden, welches spaltbar ist. Als Moderator in HTR diente Graphit, als Kühlmittel gasförmiges Helium.[8][9]
Bislang wurden diverse Hochtemperaturreaktoren betrieben, mit denen man keines der erwünschten Ziele erreichte.
In Peach Bottom-1 (USA), einem experimentellen HTR, wurde wegen undichter Brennelemente der Primärkreislauf immer weiter kontaminiert, bis er schließlich stillgelegt wurde (Betrieb: 1966 bis 1974). Fort St. Vrain (USA) hatte mit diversen Helium- und anderen Lecks sowie defekten Brennelementen zu kämpfen (Betrieb: 1974 bis 1989). Weitere US.amerikanische HTR-Projekte an den Standorten Fulton, St. Rosalie, Summit und Vidal kamen über die Planungsphase nicht hinaus.
Der deutsche Prototyp AVR Jülich hatte eine lange Pannenserie, eine zunehmende Kontamination im Primärkreislauf und 1978 einen schweren Zwischenfall mit Freisetzung kontaminierten Wassers in die Umwelt zu verzeichnen, den der Betreiber zu vertuschen suchte (Betrieb: 1966 bis 1988). Der deutsche Thorium-Hochtemperaturreaktor in Hamm Uentrop erbrachte nur geringe Leistung, hinterließ viele zerbrochene Brennstoffkugeln und wurde nach einer Freisetzung radioaktiver Substanzen in die Umwelt abgeschaltet (Leistungsbetrieb: 1987 bis 1988).
Neuere Entwicklungen sind der japanische HTTR und der chinesische HTR.[10] Ein ab 1993 in der Republik Südafrika nach deutschem Vorbild errichteter Hochtemperaturreaktor wurde 2010 aufgegeben, da sich keine Investoren fanden, die die hohen Kosten tragen wollten. Im Rahmen der sogenannten Generation der IV. Generation werden Neuauflagen der HTR konzipiert.
Mindestens bis 2013 forschte der deutsche Professor Hans-Josef Allelein, völlig unbeeindruckt vom deutschen Atomausstieg, in Jülich und Aachen noch an der Weiterentwicklung von Hochtemperaturreaktoren und erhielt dafür auch noch Forschungsgelder vom Bund. Erst Ende 2014 stiegen beide Standorte aus der HTR-Forschung aus.
→ Wikipedia: Hochtemperaturreaktor
→ World Nuclear Association Thorium
Schnelle Brüter
Als Brennstoff für Schnelle Brüter werden angereichertes Uran und Plutonium, als Kühlmittel Natrium verwendet.[2]
Schnelle Brüter wurden im Rahmen des sogenannten Brennstoffkreislaufs entwickelt, um Plutonium wiederaufzuarbeiten und immer wieder neu zu erzeugen – sozusagen als Perpetuum Mobile. Wegen des zur Explosion neigenden Kühlmittels Natrium und der hohen Plutoniumdichte gelten sie als besonders riskant. Und tatsächlich waren Entwicklung und Betrieb von einer langen Reihe von Schäden und Misserfolgen geprägt, aber auch von finanziellen Verlusten der Betreiber.
Beispiele sind die gescheiterten Schnellen Brüter Phénix und Superphénix in Frankreich sowie die Kompakte Natriumgekühlte Kernreaktoranlage Karlsruhe (KNK) und der nie in Betrieb gegangene SNR-300 in Kalkar. In einigen Ländern, wie Russland, China und Indien, wird weiterhin an der Entwicklung von Schnellen Brütern gearbeitet.
Detaillierte Informationen auf der Seite → Schnelle Brüter
Reaktoren der Generation IV
Reaktoren können auch nach Generationen klassifiziert werden. Hierbei unterscheidet man frühe Prototypen (Generation I), kommerzielle Leistungsreaktoren (Generation II), fortschrittliche Reaktoren (Generation III) und zukünftige Reaktorkonzepte (Generation IV).[11] Die Generation-IV-Reaktoren befinden sich in der Planungs- und Konzeptionsphase; dahinter verbergen sich zum Teil neuartige Konzepte, zum Teil aber auch Neuauflagen älterer Reaktortypen. → Generation IV International Forum (GIF)
→ IAEO: Advanced Reactors Information System (ARIS)
(Letzte Änderung: 03.04.2024)
Einzelnachweise
- ↑ IAEA PRIS: Operational Reactors By Type abgerufen am 26. Februar 2023
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 IAEO: LES CENTRALES NUCLEAIRES DANS LE MONDE (S.8) von 1997
- ↑ kernenergie.de: Kernenergie Basiswissen (S. 41f.) vom November 2013
- ↑ BfS: Druckwasserreaktoren abgerufen am 7. Juli 2015 (via WayBack)
- ↑ BfS: Siedewasserreaktoren abgerufen am 7. Juli 2015 (via WayBack)
- ↑ taz.de: AKW-Sicherheit - "Fukushima"-Reaktoren in Deutschland vom 23. März 2011
- ↑ CANDU: CANDU Reactors abgerufen am 8. Juli 2014 (via WayBack)
- ↑ spektrum.de: Hochtemperaturreaktor abgerufen am 14. Juli 2015
- ↑ kernenergie.de: Kernenergie Basiswissen (S. 37, S. 53f.) vom November 2013
- ↑ VDI: Internationale Entwicklungsprogramme zum Hochtemperaturreaktor von 2000 (via WayBack)
- ↑ GRS: Europäischer Druckwasserreaktor (EPR) abgerufen am 3. April 2024