Die Lobbyorganisationen > Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC)
Gründungsauftrag
Der IPPC (Intergovernmental Panel on Climate Change), in deutscher Sprache "Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen" oder auch "Weltklimarat" genannt, ist eine Institution der Vereinten Nationen. Er wurde 1988 – zwei Jahre nach der Tschernobyl Katastrophe – vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet. Er sollte klären, inwieweit von einer durch Wissenschaftler postulierten Erderwärmung Gefahren ausgehen und ob deshalb Handlungsbedarf besteht.[1][2]
Von Beginn an wurde beim IPCC davon ausgegangen, dass der Klimawandel menschengemacht sei. Dies wird bereits im Gründungsbeschluss des IPCC deutlich, der in der 70. Plenarsitzung der UN am 6. Dezember 1988 gefasst wurde. Die UN zeigten sich besorgt, dass "bestimmte menschliche Aktivitäten das globale Klima verändern könnten". Es gebe immer mehr neue Erkenntnisse, dass die wachsende Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre zu einer Erderwärmung und einem möglichen Anstieg des Meeresspiegels führen könne. Sie forderten, dass weitere Forschung zum Klimawandel betrieben und Studien erstellt werden müssen. Sie drängten Regierungen, zwischenstaatliche Organisationen, NGOs und wissenschaftliche Einrichtungen dazu, den Klimawandel als vorrangiges Thema zu betrachten und mit menschlichen und finanziellen Ressourcen alle Bemühungen zum Klimaschutz zu unterstützen.[3]
Auch in älteren Rollenbeschreibungen des IPCC wurde "the risk of human-induced climate change, its observed and projected impacts and options for adaptation and mitigation" hervorgehoben.[4]
Aufgaben des IPCC
Auf der aktuellen Homepage fehlen in der Aufgabenbeschreibung direkte Hinweise auf einen menschengemachten Klimawandel. Wissenschaftlich-moderater wird nun formuliert, im Auftrag des IPCC "tragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit den aktuellen Stand der Klimaforschung zusammen und bewerten anhand anerkannter Veröffentlichungen den jeweils neuesten Kenntnisstand zum Klimawandel." Dazu veröffentlicht der Weltklimarat Sachstandsberichte (IPCC Assessment Reports).[1][2]
Die Rollenbeschreibung des IPPC wirkt widersprüchlich: Einerseits bietet der IPCC "Grundlagen für wissenschaftsbasierte Entscheidungen der Politik, ohne jedoch konkrete Lösungswege vorzuschlagen oder politische Handlungsempfehlungen zu geben."[1][2]
In seinen Sachstandsberichten gibt der IPCC jedoch durchaus Handlungsempfehlungen und schlägt Lösungen vor, wobei er bestimmte Energiequellen bevorzugt.
→ Umweltbundesamt: Weltklimarat (IPCC)
Ausbau der erneuerbaren Energien und der Atomkraft
Als Energiequellen, mit der sich der Klimawandel reduzieren lasse, wird neben den erneuerbaren Energien vor allem die Atomkraft angesehen. Die Kernfusion wird in den Sachstandsberichten des IPCC nicht angesprochen.
→ ipcc.ch: Reports
Erster Sachstandsbericht
Im ersten Sachstandsbericht von 1990 mit Ergänzungen von 1992 wurden sechs Szenarien in Bezug auf Treibhausgase vorgestellt. Das Szenario mit dem höchsten Anstieg der Treibhausgase wird bei einem hypothetischen Ausstieg aus der Atomenergie angenommen. Atomkraft wird als eine der wichtigsten Energiequellen für das 21. Jahrhundert angesehen. Sie solle vom IPCC, unter Beachtung der Sicherheits- und Entsorgungsfragen, als diejenige alternative Energiequelle bewertet werden, mit der der Klimawandel eingedämmt werden könne.[5]
Zweiter Sachstandsbericht
Auch im zweiten Bericht von 1995 wird ein Umstieg von fossilen Energien auf erneuerbare Energien und auf Atomkraft empfohlen, wenn Antworten auf Bedenken hinsichtlich Reaktorsicherheit, Abfalltransporte und -entsorgung sowie Proliferation (Weitergabe nuklearen Materials) gefunden werden. Es wird darauf hingewiesen, dass der Ausbau der Atomkraft sich wegen dieser Probleme und wegen der Atomunfälle verlangsamt habe.[6]
Dritter Sachstandsbericht
Im dritten Sachstandsbericht von 2001 wird neben anderen CO2-armen Energieversorgungssystemen, die einen Betrag zum Klimaschutz leisten, auch eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken aufgeführt. Wie in den vorherigen Berichten wird auch hier die Atomkraft als nützliche Option angesehen. Allerdings seien, abgesehen von Asien, kaum neue Anlagen gebaut worden; öffentliche Bedenken gegen Atomkraft müssten reduziert werden.[7]
Vierter Sachstandsbericht: Friedensnobelpreis trotz Irrtümer
Auch im vierten Sachstandsbericht, der 2007 veröffentlicht wurde, wurde neben den erneuerbaren Energien auch die Atomkraft wieder als CO2-arme Energiequelle aufgeführt, mit der sich der Klimawandel begrenzen ließe.[8]
Im Vergleich zu den früheren Reports stieß der vierte Sachstandsbericht auf wesentlich höhere Resonanz in der Öffentlichkeit. So wurde in deutschen Medien beispielsweise die Vorhersage des IPCC zur Erderwärmung als "dramatische Prognose" (Spiegel) oder mit "Der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen" (Tagesschau) bewertet.[9][10]
2007 wurde der Friedensnobelpreis an den IPCC und den US-amerikanischen Politiker Al Gore vergeben. Begründet wurde dies damit, dass es wegen des Klimawandels "eine stärkere Gefahr von gewalttätigen Konflikten und Kriegen zwischen oder innerhalb von Staaten geben" könnte. Der IPCC und Al Gore hätten sich Verdienste bei der Verbreitung des Wissens über den Klimawandel und Maßnahmen als Gegengewicht erworben.[11]
Andererseits stellten sich 2010 Annahmen des IPCC zum Abschmelzen der Gletscher und Anstieg des Meeresspiegels als zweifelhaft heraus, nachdem ein weiterer Bericht des Teams um den Wissenschaftler Mark Siddall zurückgezogen worden war. Der Hauptautor des IPCC-Berichts musste daraufhin einräumen, dass es "Unsicherheiten" gebe und "manche Prozesse" beim Klima noch nicht verstanden worden seien.[12] Die "Zeit" titelte dazu: "Eiskalt geirrt".[13]
Ein von der UNO eingesetztes Expertenteam forderte eine Umstrukturierung des IPCC, weil dieser sich "durch fehlerhafte Informationen dem Vorwurf der Manipulation wissenschaftlicher Daten ausgesetzt" habe. Der IPCC habe falsche Angaben zum Rückgang der Gletscher im Himalaja geliefert.[14][8]
Fünfter Sachstandsbericht
2013/2014 veröffentlichte der Weltklimarat seinen fünften Sachstandsbericht. Das deutsche Bundesumweltministerium stellte fest: "Der Bericht stellt klar, dass der menschliche Einfluss auf das Klimasystem eindeutig ist und bekräftigt somit die Existenz des anthropogen verursachten Klimawandels".[15]
In diesem Report wird neben erneuerbaren Energien auch die Atomenergie wieder als Option zur Begrenzung des Klimawandels aufgeführt, allerdings nur am Rande, was vielleicht eine Folge der Fukushima-Katastrophe ist. Es wird angesprochen, dass der Anteil der Atomkraft an der weltweiten Energieerzeugung seit 1993 zurückgegangen ist. Der GAU selbst wird nicht erwähnt.[16] Auch in der "FAZ" wurde berichtet, dass der IPCC neben Wind- und Sonnenenergie vor allem die Atomkraft als Option hervorhebt, mit der sich die Erderwärmung auf 2 Grad begrenzen lasse.[17]
Forscher kritisierten diverse Unstimmigkeiten und erhoben deswegen Vorwürfe gegen den IPCC. So sei z.B. Erkenntnisgewinn nur vorgetäuscht worden.[18] In einem Artikel des "Spiegel" vom November 2014 wurrde dem IPCC unter dem Motto "Beim Klimarat geht Alarm vor Genauigkeit" vorgeworfen, der fünfte Sachstandsbericht unterschlage wesentliche wissenschaftliche Erkenntnisse. So wurde beispielsweise behauptet, der schnelle Klimawandel bringe "ein hohes bis sehr hohes Risiko eines beträchtlichen Artensterbens" mit sich. In den Fachkapiteln des IPCC hingegen wurde zuvor erklärt, große und schnelle Klimawandel in den vergangenen Hunderttausenden von Jahren hätten keine größeren Artensterben verursacht, wie paläontologische Daten zeigten.[19]
→ Abendblatt: Erderwärmung: Wer glaubt noch dem Weltklimarat? vom 29. Oktober 2013
→ Spiegel Online: Geheimer Uno-Report - Klimarat zweifelt an Prognosen zum Artensterben vom 23. März 2014
Sonderbericht zur 1,5-Grad-Grenze und zum Ausbau der Atomkraft
Im Oktober 2018 veröffentlichte der IPCC einen Sonderbericht,[20] in dem vor den Auswirkungen einer Erderwärmung um 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter gewarnt wird. Um diese Grenze zu halten, bedürfe es "großer politischer Anstrengungen".[21]
Die World Nuclear Association (WNA), neben der IAEO die wichtigste internationale Atomlobbyorganisation, hob hervor, dass die Reduzierung der Treibhausgase laut IPCC einen verstärkten Einsatz CO2-armer Energiequellen erfordere, wie z. B. die Atomkraft. Deren Anteil an der Stromerzeugung könne laut IPCC durch Reaktoren der Generationen III und IV oder durch SMRs (Small Modular Reactors) vergrößert werden; die Gesundheitsrisiken und der Flächenbedarf dafür seien gering. Die Entwicklung werde jedoch in vielen Ländern durch mangelnde gesellschaftliche Akzeptanz erschwert.[22] Ähnlich äußerte das Deutsche Atomforum (DAtF), die wichtigste deutsche Lobbyorganisation, dass im IPCC-Bericht "in den vier in der Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger aufgeführten Szenarien ein erheblicher bis sehr starker weltweiter Anstieg der Kernkraftnutzung enthalten ist".[23]
Um die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen und die Einschränkungen bei "Mobilität, Fleischkonsum und Lebensstandard" gering zu halten, müsse sich die Atomstromproduktion bis 2030 verdoppeln, bis 2050 sogar verfünffachen. Diese Forderung unterstützten unter dem Motto "Nuclear Pride" diverse Pro-Atomkraft-Gruppen, u.a. bei einer Demonstration in München.[24][25]
→ ZDF: Nach Alarm-Bericht - So arbeitet der Weltklimarat vom 8. Oktober 2018 (via WayBack)
Sechster Sachstandsbericht
Der sechste Sachstandsbericht setzt sich aus drei Bänden und einem Synthesebericht zusammen. Näher auf die Atomkraft wird in Band 3 "Minderung des Klimawandels" eingegangen.[26]
Die Darstellung erscheint dort deutlich differenzierter als in vergangenen Berichten. Laut dem Bericht führe die Stromerzeugung aus Atomkraft auf nationaler Ebene in größerem Umfang nicht zu deutlich geringeren Kohlenstoffemissionen. Zudem seien die Kosten für AKW wegen Verzögerungen bei Genehmigungen und der Konstruktion sowie strengerer passiver Sicherheitsmaßnahmen deutlich gestiegen. Atomenergie könne zwar kohlenstoffarme Energie liefern, bringe aber auch Nachteile oder Gefahren mit sich: hohe Vorabinvestitionen, Herausforderungen bei der Endlagerung von radioaktiven Abfällen, unterschiedliche öffentliche Akzeptanz und politische Unterstützung, große Atomunfälle, Landbelegung und ökologische Auswirkungen. An der Erstellung des Reports waren als sachverständige Prüfer auch einige Personen aus der internationalen Atomcommunity beteiligt.[27]
Schülerdemos von "Fridays for Future"
Diskussionen löste im März 2019 ein Post der 16jährigen schwedischen Klima-Aktivistin Greta Thunberg, der Ikone der Schülerbewegung "Fridays for Future", mit der Bemerkung aus, dass der IPCC die Atomkraft als Option zum Klimaschutz ansehe. Die Aktivistin erklärte später, dass sie persönlich die Atomenergie ablehne. "Fridays for Future" organisiert Schülerstreiks während der Unterrichtszeit.[28]
Sabine Fuss vom Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change, eine Autorin des IPCC-Berichts von 2018, wies darauf hin, dass die Begrenzung der Erderwärmung bei einem schnellen Atomausstieg höhere Kosten verursachen würde. Ein Ausstieg sei aber dennoch möglich, und man wolle "keine Empfehlung" geben.[29] In "Zeit Online" wurde bestritten, dass der IPCC einen Ausbau der Atomkraft gefordert habe.[30]
Kritik am IPCC
Der IPCC ignoriert Wissenschaftler und Kritiker, die eine abweichende Meinung vertreten:
- ARD, Report München: Prof. Björn Lomborg, Prof. Richard Tol, Prof. Henrik Svensmark
- Spiegel TV: Prof. John Christy, Prof. S. Fred Singer
(Siehe dazu die Videos auf dieser Seite.)
(Letzte Änderung: 30.12.2023)
Einzelnachweise
- ↑ 1,0 1,1 1,2 de-ipcc.de: Der Weltklimarat IPCC abgerufen am 28. Dezember 2023
- ↑ 2,0 2,1 2,2 ipcc.ch: The Intergovernmental Panel on Climate Change abgerufen am 28. Dezember 2023
- ↑ un.org: Protection of global climate for present and future generations of mankind vom 6. Dezember 1988 (via WayBack)
- ↑ ipp.ch: About IPCC abgerufen am 20. Dezember 2008, oder auch: PRINCIPLES GOVERNING IPCC WORK vom Oktober 1998 (via WayBack)
- ↑ ipcc.ch: CLIMATE CHANGE: The 1990 and 1992 IPCC Assessments vom Juni 1992 (S. 13, 29, 43)
- ↑ ipcc.ch: IPCC Second Assessment - Climate Change 1995 (S. 12, 51)
- ↑ ipcc.ch: Climate Change 2001: Synthesis Report (S. 296, 313, 321, 323, 348 u.a.)
- ↑ 8,0 8,1 ipcc.ch: Climate Change 2007 - Synthesis Report (S. 17, 60, 68, zum Himalaya: S.49)
- ↑ Spiegel Online: Weltklimabericht 2007 - Die dramatische Prognose im Detail vom 2. Februar 2007
- ↑ tagesschau.de: Der IPCC-Bericht von 2007 - Der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen vom 18. November 2009
- ↑ Tagesspiegel: Begründung im Wortlaut - Friedensnobelpreis an Gore und IPCC vom 12. Oktober 2007
- ↑ Tagesspiegel: Klimawandel - Studie zum Meeresspiegel schlägt Wellen vom 23. Februar 2010
- ↑ Zeit Online: Bericht Weltklimarat IPCC: Eiskalt geirrt vom 28. Januar 2010
- ↑ NZZ: Klare Empfehlungen zur Reform des IPCC vom 30. August 2010
- ↑ bmu.de: Der Weltklimarat IPCC vom 5. Mai 2017 (via WayBack)
- ↑ ipcc.ch: Climate Change 2014 - Synthesis Report (S.100)
- ↑ FAZ.net: IPCC-Bericht - Klima retten funktioniert mit Wind, Sonne und Atomkraft vom 13. April 2014
- ↑ Spiegel Online: Widersprüchliche Prognosen - Forscher entdecken Unstimmigkeiten im Uno-Klimabericht vom 6. Oktober 2013
- ↑ Spiegel Online: Finaler Bericht des IPCC - Beim Weltklimarat geht Alarm vor Genauigkeit vom 2. November 2014
- ↑ ipcc.ch: Reports abgerufen am 30. Dezember 2023
- ↑ BR: Weltklimabericht des IPCC - Sonderbericht zur 1,5-Grad-Grenze vom 8. Oktober 2018 (via WayBack)
- ↑ WNA: The IPCC 1.5C Report: nuclear energy’s role for effective action to mitigate climate change vom 8. Oktober 2018
- ↑ kernenergie.de: DAtF: Wachstum der Kernenergie ist Bestandteil des IPCC-Sonderberichts zum 1,5-Grad-Ziel vom 9. Oktober 2018 (via WayBack)
- ↑ Welt Online: Nun geht es für den „Nuclear Pride“ auf die Straße vom 21. Oktober 2018
- ↑ ZDF: Aus Klimaschutzgründen - Der Kampf für die Rückkehr zur Kernenergie vom 3. Dezember 2018 (via WayBack)
- ↑ IPCC: SECHSTER IPCC-SACHSTANDSBERICHT – AR6 von 2021-2023
- ↑ IPCC: Climate Change 2022 - Mitigation of Climate Change von 2022 (S.438f. 639-641, 1938-1966)
- ↑ Tagesspiegel: Streit um Klimaschutz - Thunberg löst emotionale Debatte über Atomenergie aus vom 22. März 2019
- ↑ Tagesspiegel: Die Gretafrage - Braucht Klimaschutz die Kernkraft? vom 2. April 2019
- ↑ Zeit Online: Schont Atomstrom die Erdatmosphäre? vom 27. März 2019